Neben dem leckeren Honig erfreuen sich auch die anderen Erzeugnisse aus dem Bienenstock großer Beliebtheit. Als Naturheilmittel oder natürliche Nahrungsergänzung nutzt man Propolis, Pollen & Co schon lange in volkstümlichen Anwendungen. Ein weiteres Produkt aus der Bienenwelt ist das sagenumwobene Gelee Royale.

Eine majestätische Bienenkönigin (in der Mitte des Bildes), umringt von ihren Arbeiterbienen.  Hunderte von Ihnen müssen ihr Leben lassen für ein einzelnes Gläschen Gelee Royale. Foto: Matthew Greger, pixabay.com

Nicht nur in hochpreisiger Kosmetik findet es eine werbewirksame Verwendung, auch in der Alternativmedizin schwören viele auf diesen besonderen Stoff der Bienen. Unzählige Heilwirkungen spricht man dem Wunderstoff zu. Er soll ein Jungbrunnen für Haut, Körper und Kreislauf sein und neue Lebenskraft in geschwächte und ausgebrannte Leiber bringen. Ja, sogar als Heilmittel gegen Krebs wird er gelegentlich angepriesen. Welche Wirkungen hierbei empirisch nachgewiesen werden können und welche mehr aus alternativmedizinischem Wunschdenken herrühren, ist häufig jedoch fraglich. Nichtsdestoweniger werde ich als Imker häufig gefragt, ob ich auch Gelee Royale verkaufe. Der Bedarf an dem vermeintlichen Wunderstoff aus dem Bienenvolk ist groß.

Die Antwort auf diese Frage ist jedoch ein klares Nein. Ich ernte in meiner eigenen Imkerei kein Gelee Royale und ich verkaufe dieses Bienenprodukt auch nicht. Und das aus Überzeugung. Das Ganze hat jedoch nichts damit zu tun, dass Ernte und Verarbeitung von Gelee Royale sehr aufwendig und teuer sind, vielmehr sind es ethische Gründe, die mich davon abhalten. Denn eines ist für mich klar: Die Ernte von Gelee Royale ist ein Massaker an den Bienen und lässt sich nicht mit einer artgerechten, naturnahen oder wesensgemäßen Bienenhaltung vereinen. Es ist ein Akt der Tierquälerei und Verachtung des Lebens.

Weiselfuttersaft, wie Gelee Royale auf Deutsch eigentlich heißt, ist ein nahrhafter Futtersaft, den Arbeiterbienen in speziellen Futtersaftdrüsen selbst produzieren. Mit diesem Saft werden die Larven der Jungköniginnen gefüttert. Er ist es, der darüber entscheidet, ob aus einer Larve eine unfruchtbare, einfache Arbeiterin oder eine majestätische Bienenkönigin heranwächst. Nur die Larven, die ausreichend Weiselfuttersaft erhalten, entwickeln sich zu neuen Jungköniginnen, den einzig voll entwickelten Weibchen im Bienenstock. Die Larven der Jungköniginnen werden bis zu ihrer Metamorphose zu adulten Tieren mit dem besonderen Stoff gefüttert. In den verdeckelten Wabenzellen schwimmen sie sozusagen in einem Vorrat aus Gelee Royale. Arbeiterlarven hingegen werden lediglich für kurze Zeit am Anfang ihrer Entwicklung mit dem kostbaren Gut gefüttert. Sie erhalten anschließend nur noch ein Gemisch aus Perga (fermentierten Pollen) und Honig.

Mit Pollen (links) und Eiern & Larven (rechts) gefüllte Wabenzellen. Foto: xiSerge, pixabay.com

Gelee Royale ist also ein Naturstoff, der es vermag aus einfachen Arbeiterinnen wahre Königinnen zu machen. Kein Wunder, dass er so begehrt ist. Wer will da nicht etwas von abhaben? Dabei ist auch der Name von Bedeutung. Das deutsche Wort Weiselfuttersaft haben die wenigsten schon einmal gehört. Kaum einer weiß damit etwas anzufangen. Das französische Wort Gelee Royale verkauft sich hingegen gut, denn es klingt viel erhabener und hochwertiger als der deutsche Name. Auch wenn kaum einer weiß, was Gelee Royale eigentlich ist, so lässt die Bezeichnung keinen Zweifel daran, dass es etwas ist, was für Königinnen und Könige bestimmt ist. Und das muss gut sein.

Mit Larven und Gelee Royale gefüllte natürliche Königinnenzellen. Foto: 용한 배, pixabay.com

Doch wie gelangt der spezielle Futtersaft, der für den heranwachsenden Bienen-Nachwuchs gedacht ist, in die Hände der menschlichen Verbraucher? Die Antwort hierauf ist einfach: Abtreibung. Um den Weiselfuttersaft ernten zu können, müssen die Baby-Bienen (Larven) aus den Zellen entfernt werden. Sie werden dabei ihrer einer Gebärmutter ähnelnden, schützenden Zelle entrissen und sterben innerhalb kürzester Zeit, denn außerhalb der schützenden Wabenzelle und ohne den nahrhaften Futtervorrat unterkühlen und verhungern die Larven. Ein Verlust, der für den Imker keine Rolle spielt, denn die Larven haben ihre Aufgabe erfüllt. Der gewünschte Futtersaft ist nun in den Zellen und kann geerntet werden.

Doch in so einer Wabenzelle ist nicht sehr viel Futtersaft vorhanden. Pro abgetriebener Jungkönigin können nur wenige Milliliter Gelee Royale geerntet werden. Hinzu kommt, dass Gelee Royale nur mit teuren, spezialisierten Geräten geerntet werden kann und nach der Ernte kühl gelagert oder gefriertrocknet werden muss. Die Ernte dieses Stoffes ist also mit hohen Unkosten und viel Arbeit für den Imker verbunden. Und wie rentiert sich das ganze, wenn man nur winzigste Mengen pro Abtreibung ernten kann? Ganz einfach: Massenabtreibung.

Natürliche, zerstörte Brutzellen mit Bienenlarven (Mitte, unten). Foto: xiSerge, pixabay.com

Die Imker regen die Bienenvölker dabei künstlich an, eine unnatürliche Vielzahl an Jungköniginnen großzuziehen. Nachdem die alte Bienenkönigin aus dem Bienenstock entfernt (in der Regel wird diese abgetötet) wurde (was zu immensem Stress bei den Bienen führt), werden Rähmchen mit künstlichen Königinnenzellen in den Stock gegeben. In diese Zellen setzt der Imker vorher jeweils eine Larve, die er aus den Zellen im Brutnest des Volkes entnehmen kann. Die Arbeiterbienen aus dem Bienenvolk beginnen nun in einem Notfallprogramm (der Verlust der Königin bedeutet im schlimmsten Fall den Tod für das ganze Volk) die neuen Jungköniginnen in den künstlichen Wabenzellen zu versorgen und heranzuziehen, damit sie so schnell wie möglich wieder eine neue Königin im Volk haben. Normalerweise machen die Bienen dies bei einem natürlichen Königinnenverlust nur mit einer Handvoll Wabenzellen. Mit dieser künstlichen Methode können pro Volk aber hunderte an Königinnenlarven gleichzeitig herangezogen werden.

Natürliche Königinnenzelle auf einer Honigwabe (Mitte, oben). Foto: PollyDot, pixabay.com

Sind die Zellen am Höhepunkt ihrer Fülllhöhe angekommen, wird geerntet. „Ernte“ ist dabei ein Euphemismus für Massenmord oder Massenabtreibung. Hunderte Jungköniginnen werden jetzt in aufwendiger Handarbeit abgetrieben. Die von den unnötigen Baby-Bienen befreiten Zellen können indessen mit einem Spezialsauger entleert werden. Pro Volk können jedoch auch mit dieser Methode der Massenabtreibung nur etwa 500 g des begehrten Stoffes pro Jahr geerntet werden. Dies erklärt den hohen Preis des beliebten Produktes.

Das so geerntete Gelee Royale muss dann direkt kühl gelagert werden, damit es nicht verdirbt. Häufig wird es gefriergetrocknet, um es haltbar zu mache. Die Opfer dieser Massenabtreibung werden nicht weiter beachtet. Sie können einfach zum Sterben auf den Boden neben den Bienenkästen geworfen werden. Zum Glück sind die Larven so winzig, dass man Mühe hat, sie mit dem bloßen Auge zu erkennen. Und niedliche runde Äuglein, wie sie bei Säugetieren üblich sind, haben sie auch nicht. Es ist also leicht, die wahre Natur dieser fragwürdigen Anwendung aus den Augen zu lassen.

Das Ergebnis dieser Massenabtreibung kann nun in Gläser abgefüllt und hochpreisig vermarktet werden. Kunden gibt es genug. Denn, wenn es um (vermeintliche) Heilkräfte geht, dann ist es auch egal, wenn dafür ein eine Massenabtreibung durchgeführt werden muss. Wenn Du also das nächste Mal ein Kosmetikprodukt mit Gelee Royale kaufen möchtest, denke doch vorher einmal darüber nach, wie viele Abtreibungen Dir eine schöne Haut wert ist.

Text: Fabian Kalis