Anfang Juli fand die diesjährige Vollmond-Kräuternachtwanderung statt. Mit vier mutigen Teilnehmern machten wir uns spät am Abend auf in den immer dunkler werdenden Wald. Mit dem noch verbliebenen Resttageslicht wirkte der Wald einladend. Zunächst war im abendlichen Dämmerlicht noch vieles gut mit den Augen zu erkennen, dennoch lag der Fokus natürlich auf der Wahrnehmung der Pflanzen über unsere anderen Sinne. Langsam tauchten wir so mit dem schwindenen Licht immer mehr in das Dunkel ein. Da es in dieser Nacht ziemlich bewölkt war, war vom Vollmond nicht viel zu sehen, was schade war, denn in der Nacht wäre eine partielle Mondefinsternis zu sehen gewesen. Die Wolkendecke sorgte aber für eine noch dunklere Waldatmospähre, in der wir uns voll und ganz auf unsere Sinne abseits des Augenlichts konzentireren konnten.
Es ist erstaunlich wie viel Leben in der Nacht im Wald erwacht. Tagsüber sind die meisten Tiere sehr scheu und zurückgezogen. Sie wissen um die vielen Menschen, die auf den Wegen umherspazieren. Fernab und weit geflüchtet vor uns Menschen warten die Teire auf die Ruhe der Naht, in der sie ungestört ihren Wald für sich haben. So bemerkten wir während der Nacht im Wald eine Vielzahl an knackendem Geraschel direkt im Dickicht neben uns. Sehen konnten wir natürlich nicht, welche Tiere sich dort aufhielten. So blieben sie für uns die unsichtbaren Waldgeister, die schon in früherer Zeit zu so mancher Legende inspirierten. Ein paar dieser Waldgeister offenbarten ihre Gestalt dann aber doch, jedoch nicht durch ihr Aussehen sondern viel mehr durch ihre Laute. Ein tiefes Grunzen aus dem Geäst neben uns verriet, welche Waldteire uns da irritiert über die nächtlichen Besucher neugierig musterten.
Unbeirrt führten wir unser Sinnesabenteuer im Dunkel der Nacht fort. Besonders die stark aromatischen Pflanzen oder Pflanzen mit besonderer Haptik waren natürlich am besten geeignet, um sich ihnen Nachts anzunähern. Doch das Programm der Wanderung wurde alsbald von einem ganz andren Phänomen unterbrochen. Ein magisches Leuchten inmitten des dunklen Waldes zog die Teilnehmer in ihren Bann. Sofort richtete sich der Fokus weg von den Pflanzenwahnemungen zu dem seltsamen Leuchten und ohne zu überlgen wanderten die Teilnehmer tiefer ins Dickicht des Waldes hin zu dem mysteriösen Licht. Kein Wunder, das diese Leuchterscheinungen früher als Irrlichte bezeichnet wurden, denen man nachsagte, sie würden einsame Wanderer nachts immer tiefer in den Wald locken, bis sie sich verirren oder in den Sümpfen und Mooren ertinken. Man hielt sie für Geistwesen aus dem Totenreich, die nur darauf warteten, die armen Seelen der Menschen ins Verderben zu locken. Wer einmal so ein Irrlicht in der Finsterniss des Waldes gesehen hat, der weiß, welche ungeahnte Anziehungskraft so ein Licht im Wald ausstrahlt.
Nähert man sich der Lichtquelle aber zu sehr, verblasst das Leuchten und man bleibt allein und ohne Orientierung inmitten des tiefen Waldes zurück. In unserem Fall ging natürlich niemand verloren, der Zauber der Irrlichte blieb jedoch mit einiger Faszination ein steter Begleiter der weiteren Nacht. Immer mal wieder vernahmen wir links und rechts vom Weg das schwache kleine Leuchten am Boden des Waldes. Auch die moderne Erkenntnis, dass es sich bei den Irrlichten nicht um Gesitwesen sondern um Glühwürmchen (die korrekte Bezeichnung ist eigentlich Leuchtkäfer) handelte, welche in den Sommermonaten häufig in den Wäldern auszumachen sind, nahm dem Phänomen nichts von seiner magischen Pracht.
Nachdem wir viele Pflanzen auf eine ganz besonere Art und Weise kennengleernt hatten, und jeder Teilnehmer mit meditativen Wahrnehmungsübungen ganz für sich allein in die nächtliche Waldwelt eintauchen konnte, machten wir uns auf, den Wald wieder zu verlassen. Der grelle Schein der Straßenlaternen, als wir uns dem Waldausgang näherten, tat fast schon in den Augen weh. Erst wenn man eine Weile in der Dunkleheit des Waldes fernab von allen Lichtern verbracht hat, wird einem bewusst, wie sehr unsere Straßen und Sätdte eignetlich auch in der Nacht vor hellem Licht nur so strahlen. Als Dunkelheit kann man das städtische Nachtleben wirklich nicht bezeichnen. Mit einem Blick zurück in den Wald, stellt man dann schnell fest, wie düster es eigentlich im Wald war. Alle Teilnehmer fühlen sich aber sehr geborgen und beschützt in der nächtlichen Waldatmosphäre. Als bedrohlich wurde der Wald bei Nacht nicht wahrgenommen. Und so verabschiedeten wir uns dann nach einem kruzen Austausch über die Erfahrungen und Eindrücke in die Nacht. Ich freue mich schon auf das nächtse mal.