In der Winterzeit sind es die immergrünen Pflanzen, die uns besonders in Auge fallen. Als ein grüner Kontrast zur sonst leblos erscheinenden kahlen und kargen Natur verkörpern sie die ewig währende Lebenskraft. Wegen dieser Symbolik werden diese Pflanzen schon seit langer Zeit zum Schmücken der winterlichen Stuben genutzt. Tannenbaum, Adventskranz, Mistelzweig und Stechpalmen gehören ebenso zum Winter, wie Schneemänner & Weihnachtsmann.

Großes Immergrün

Doch nicht alle immergrüne Pflanzen erleben dabei die gleiche Würdigung. Einige von Ihnen führen buchstäblich ein Schattendasein. Zu diesen gehören auch einige Arten der Gattung Immergrün (Vinca). Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich aber nicht bei allen Arten innerhalb dieser Gattung um immergrüne Pflanzen. Das Krautige Immergrün (Vinca herbacea) zum Beispiel, verliert im Winter seine Blätter und grünt nur im Sommer. Am häufigsten sind in Deutschland aber die beiden Arten Kleines Immergrün (Vinca minor) und Großes Immergrün (Vinca major) zu finden. Diese beiden Vertreter der Gattung sind tatsächlich immergrüne Pflanzen, die häufig an schattigen Plätzen wachsen. Botanisch handelt es sich bei beiden Arten um Halbsträucher. Sie unterscheiden sich hauptsächlich in der Größe von Wuchs, Blättern & Blüten, sind sich aber ansonsten sehr ähnlich. Die lilafarbenen fünfzähligen Blüten werden beim Kleinen Immergrün 2–3 cm groß, beim Großen Immergrün hingegen bis zu 5 cm. Vinca minor besitzt bis zu 4 cm lange, lanzettliche bis elliptische Laubblätter, und erreicht Wuchshöhen von 10 bis maximal 20 Zentimetern. Die Blätter von Vinca major hingegen sind eher eiförmig und können bis zu 9 cm lang werden. Die Zweige des Großen Immergrün werden bis zu 1 Meter lang, sind aber niederliegend und kriechend. Lediglich die Blütensprosse, welche eine Höhe von bis zu 30 Zentimetern erreichen können, wachsen aufrecht. Beide Arten wachsen als kriechende Bodendecker und verbreiten sich vegetativ über wurzelbildende Knoten an den Sprossachsen. An geeigneten Standorten können sie so regelrechte Teppiche bilden.

Die generative Vermehrung erfolgt hauptsächlich über Verbreitung der Samen durch Ameisen. Die großen Trichterblumen bieten Bienen, Schmetterlingen und Wollschwebern eine beliebte Nektar- und Pollenquelle, können aber auch durch Selbstbestäubung befruchtet werden.  Die Blütezeit erstreckt sich dabei von März bis spät in den Herbst hinein. Dies macht das Immergrün zu einer wichtigen Nahrungspflanze für seine Bestäuber.

Illustration des Kleinen Immergrün

Im Bereich der Pflanzenheilkunde & Folklore findet vor allem das Kleine Immergrün Erwähnung. Wenn auch die ganze Pflanze heute aufgrund des hohen Gehalts an potenziell gesundheitsschädlichen Alkaloiden & anderen Inhaltsstoffen als giftig eingestuft wird, so war es lange Zeit ein beliebtes Naturheilmittel. Traditionell wurde das Kraut zur Linderung von Erschöpfungszuständen, zur Regulation von zu starken oder unregelmäßigen Menstruationsblutungen, zur Behandlung von Weißfluss, aber auch von nächtlichen Hustenanfällen, Gedächtnisschwäche und Konzentrationsproblemen angewandt. In der modernen Pflanzenheilkunde wurde es vor allem wegen der empirisch nachgewiesen Wirkung zur Behandlung von Durchbltungsstörungen angewendet.

Das Kleine Immergrün enthält insgesamt über 40 verschiedene Alkaloide. Die Hauptwirkstoffe sind aber Vincarnin und Eburnamenin. Bis 1986 war das Kleine Immergrün noch als Arzneidroge zugelassen. Da die Anwendung des Krautes in modernen Versuchen zu Blutschäden führte, ist die medizinische Verwendung seither nicht mehr zugelassen. Diese unerwünschte Nebenwirkung ist aber nicht auf einen der Hauptwirkstoffe der Pflanze zurückzuführen, sondern liegt in einem der Belgleitstoffe begründet. Der Hauptwirkstoff Vincarnin wird daher noch heute als Reinstoff in der Medizin als ein Mittel gegen zerebrale Durchblutungsstörungen eingesetzt.

Folkloristisch werden die langen Zweige des Kleinen Immergrüns zum Binden von Kränzen verwendet. Diese Kränze werden für Hochzeits- und Totenfeiern verwendet. Im Alpenraum hängt man sich geweihte Immergrünkränze an die Fenster, um sich gegen Blitzeinschlag zu schützen.

Text: Fabian Kalis

Bildnachweis:

Großes Immergün, Vinca major von Frank Vincentz, unverändert, via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Kleines Immergrün, aus Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz 1885, Gera, Germany