…sind aus gutem Grunde rar. So lautet eine alte Volksweisheit über den mystischen Erlenbaum. Rotes Haar und Erlenloden wachsen nicht auf gutem Boden, ist ein weiterer Spruch, der im Zusammenhang mit den besonderen Eigenschaften dieses Baumes steht (als Erlenloden bezeichnet man eine Ansammlung von jungen Erlenbäumen). Doch was hat es damit auf sich?
Die bei uns heimische Schwarzerle wächst auf sehr nassen Böden. In Mooren und Sümpfen, dort wo anderen Bäumen wegen des vielen Wassers die Wurzeln abfaulen würden, gedeiht sie prächtig. Orte, die für uns Menschen nur schwer und gefahrenreich zu betreten sind. Nicht selten haben sich früher Wanderer und Reisende in den moorigen Erlenbrüchen verirrt, sind stecken geblieben mit ihren Wagen & Pferden. Manchesmal wurden sie sogar gänzlich vom Morast verschluckt. Wer sich nicht mehr befreien konnte, sank immer tiefer und ertrank. Kein Wunder also, dass die Menschen diese Orte als etwas Unheimliches und Unbehagliches wahrgenommen haben. Die Erle als einziger dort wachsende Baum wurde zum Sinnbild dieser Gefahren. Bei den Germanen galt das Moor als ein Wohnort der Toten. So glaubte man, dass man in den Erlenbrüchen an der Schwelle zu dem Totnereich steht. Wer hier nicht aufpasste, konnte schnell selbst ohne Wiederkehr in das Jenseits entschwinden. Noch heute zeugen Redewendungen wie etwa das mecklenburgische „Hei is bie’n liewen Gott im Ellernbrauk“ („Er ist beim lieben Gott im Erlenbruch“) von diesen alten Volksglauben.
Doch nicht nur ihr gefährlicher und unheimlicher Standort brachte die Erlen zu ihrem schlechten Ruf. Eine ganz besondere Eigenschaft ihres Holzes macht diese Bäume zu etwas mystischem. Erlenholz „blutet“ beim Fällen. Das sonst helle Holz der Erlen verfärbt sich am Schnittende nach kurzer Zeit blutrot. Für die Menschen im Mittelalter ein eindeutiger Beweis für die bösen Mächte, die den Erlen innewohnen. In manchen Gegenden erzählt man sich, dass der Teufel seine Großmutter mit einem Knüppel aus Erlenholz erschlagen habe. Und das Blut dieser Tat ziert bis heute jeden Erlenbaum. So kommt es, das die Erlen beim Fällen bluten.
Eine weitere Legende die sich um die Erlen rankt, ist die vom Erlenweib. Diese sagenhafte Gestalt, die auch Else oder Ilse genannt wurde, galt als Verkörperung der Erlen. Es heißt, dass Erlenweib wohnt tief in den Sümpfen und versucht Wanderer mit Hinterlist immer tiefer in das unwegsame Gelände (und somit letzendlich in den Tod) zu locken. Auch mit Hexenkraft wurde die Else in Verbindung gebracht. Da man rote Haare früher für ein Erkennungszeichen von Hexen hielt, hatte natürlich auch das Erlenweib rotes Haar. So erklärt sich auch die Verbindung von Erlen und roten Haaren in den alten Volksweisheiten.
Der Erlkönig aus der gleichnamigen Ballade von Goethe hat übrigens nichts mit dem düsteren Baum zu tun. Hierbei handelt es sich eigentlich um einen Übersetzungsfehler bei einer Übertragung einer alten dänischen Geschichte ins Deutsche (Herr Oluf – Johann Gottfried von Herder). Das im Original benutzte dänische Wort „Ellerkonge“, was eigentlich „Elfenkönig“ bedeutet, wurde im Deutschen als „Erlkönig“ bezeichnet. Goethe hat sich bei seinem Erlkönig lose von der Handlung dieser dänischen Geshichte inspirieren lassen und dabei den nun bereits geläufigen Begriff des Erlkönigs wiederverwendet.
Doch die Erle hat nicht nur eine düstere Seite. Bereits im Mittelalter galt die Erle als ein wichtiger Färberbaum, da aus ihr verschiedene Farben zum Färben von Stoffen und Leder produziert werden konnten. Die Blüten ergaben Grün, die Zweige Braun und aus der Borke konnte ein schwarzer Farbstoff hergestellt werden. Die Erlenzapfen konnten genutzt werden, um aus Ihnen Tinte herzustellen. Mit der Rinde wurde Leder gegerbt.
Das Holz der Erle wurde aufgrund seiner sehr langen Haltbarkeit im Wasser und seiner Widerstandskraft gegen Fäulnis schon in der Jungsteinzeit für Pfahlbauten auf sumpfigen Böden genutzt. Auch in Venedig stützen viele Bauten auf ein Gerüst von Erlenstämmen im Wasser. Das Erlenholz eignet sich also überall dort, wor Holz dauerhaft oder langanhaltend großen Wassermengen standhalten muss. Aufgrund der schwiergen Bewirtschaftung von Erlenbrüchen, spielt Erlenholz in der Forstwirtschaft jedoch nur eine unbedeutende Rolle.
Auch in der Heilkunde hat sich die Erle mittlerweile einen Platz gesichert. Galt der Baum im Mittelalter noch als böses Hexenwerk und daher ohne irgendeinen medizinischen Nutzen (Hildegard von Bingen bezeichnete die Erle als Sinnbild der Nutzlosigkeit, wenn es um Heilkräfte ging.), weiß man heute, dass insbesondere der Rinde heilende Eigenschaften innewohnen. Aus ihr werden Tees und Abkochungen zubereitet, die aufgrund ihres hohen Gehalts an Gerbstoffen vor Allem bei Hautkrankheiten eingesetzt werden. Aber auch bei Aphten und anderen Erkrankungen der Mundschleimhaut kommt eine Abkochung aus Erlenrinde zum Einsatz.
Die Erlenzapfen haben zudem eine große Bedeutung in der Aquaristik. Dort gibt man die kleinen schwarzen Zapfen mit ins Aquarium, um die keimdichte im Wasser zu verringern, gegen Pilzbefall vorzubeugen und den pH-Wert des Wassers in einem leicht sauren Mileu zu halten. Auch dienen die Zapfen als Dekoration und manchen Aquarienbewohnern als Nahrung.
Die Erle gehört wie die Birken und auch der Haselstrauch zu den Birkengewächsen. Allen gemein ist, dass sie im bereits im sehr zeitigen Frühjahr ihre langen Blütenkätzchen in den Wind hängen noch bevor die ersten Laubblätter austreiben. So gehören die Erlen zu den ersten Bäumen, an denen wir im Frühjahr die wiedererwachende Pflanzekraft erahnen können. In altem Volksglauben galten Hasel, Birke und Erle als drei Schwestern. In jedem Gewächs verkörperte sich ein Aspekt der Weiblichen Urkräfte. Die Hasel ist dabei das Sinnbild für die jungfräuliche, kindliche Frische, Die Birke ist die nährende Mutter und die Erle steht für die alte weise Greisin.
Text: Fabian Kalis
Bilder: www.pixabay.com