Die tief blauen bis violetten Blüten der zarten Wald-Glockenblume (Campanula persicifolia) gehören zu prächtigsten Farbtupfern in europäischen Wäldern. Zusammen mit der deutlich kleineren Rundblättrigen-Glockenblume (Campanula rotundifolia), welche häufig auf Wiesen anzufinden ist, ist sie Teil der in Deutschland häufigsten Arten dieser Gattung. Die intensive Farbenpracht der Blüten und ihr Auftreten an unscheinbaren Plätzen machen diese Pflanzen zu einem echten Hingucker bei jedem Naturspaziergang.

Blüten der Wald-Glockenblume. Foto: Dominicus Johannes Bergsma, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Neben ihrer Schönheit hat die Glockenblume aber noch ganz andere Talente, die leider in moderner Zeit mehr und mehr in Vergessenheit geraten sind. Heutzutage findet Bluebell, so der englische Name dieser Pflanze, in kaum einem Kräuterbuch Erwähnung, und wenn doch, dann wird nur vor ihrer vermeintlichen Giftigkeit gewarnt. Dies beruht vor allem auf der Unwissenheit einiger Autoren, die diese Pflanze mit dem ebenfalls als Bluebell bezeichneten Atlantischen Hasenglöckchen (Hyacinthoides non-scripta) verwechseln. Tatsächlich aber ist die richtige Glockenblume ungiftig, genießbar und sogar lecker. Besonders die farbenfrohen Blüten werden gerne als essbare Deko genutzt. Die Blätter der Pflanze können als Salat gegessen werden.

Blüten der Rundblättrigen Glockenblume. Foto: Anton Ehrola, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Darüber hinaus wurden die Glockenblumen früher als starke Heilpflanzen geschätzt. Viele Glockenblumenarten nutze man wegen ihrer antiseptischen Wirkung. Besonders die Kapverdische Glockenblume (Campanula jacobaea) hat in ihrer Heimat eine lange Tradition als Medizin gegen Halsschmerzen und Entzündungen. Ihr portugiesischer Name contra bruxas-azul, was auf Deutsch Blau gegen Hexen bedeutet, deutet zudem auf eine Verwendung als Zauberkraut gegen allerlei schadhaften Zauber hin. Ihrem Status als geschätztes Heilkraut verdankt diese Pflanze sogar die Prägung auf Münzen der lokalen Währung. Generell haben die meisten Glockenblumen eine blutstillende und entzündungshemmende Wirkung, die vor allem auf den Wirkstoffen Inulin und Triterpensaponinen beruht.

Der Name der Glockenblumen leitet sich von ihren an Glocken erinnernde Blüten ab. Im Volksglauben insbesondere keltisch geprägter Kulturen haben verschiedenste als Glockenblumen bezeichnete Pflanzen eine Verbindung mit dem Reich der Anderswelt. So heißt es zum Beispiel im angelsächsischen Raum, dass Feen mit dem Geläute der blauen Blüten Zauber wirken könnten. Das unhörbare magische Klingen dieser pflanzlichen Glocken soll so schon manchem Menschen Glück oder Unheil gebracht haben.

Text: Fabian Kalis