In winterlicher Ruhe beginnt die Natur das neue Jahr. Kein ausgelassenes Spektakel mit bunten Farben und lautem Getöne läutet hier den Anfang eines neuen Laufs durch den Jahreskreis ein. Doe Farbenpracht des pflanzlichen Lebens liegt verborgen und die Welt scheint leer und leblos. Lediglich ein paar immergrüne Gewächse zieren die sonst karge Landschaft mit ein wenig Farbe. Doch auch im mildesten Winter des Nordens ist der Januar gewiss keine Zeit, in der man die bunte Blütenpracht der Pflanzenwelt erwarten würde. Auf Schneeglöckchen und andere florale Frühaufsteher muss man in der Regel noch bis zum Ende des Winters warten, denn selbst diese unerschrockenen ersten Frühlingsboten trauen sich erst mit der Schneeschmelze und den ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen heraus. Und doch gibt es tatsächlich Pflanzen, deren Blüten man bereits im Januar entdecken kann, wenn der Winter die Natur noch fest im Griff hat. Drei dieser frostigen Blütenwunder möchte ich hier kurz vorstellen.



Winterling (Eranthis hyemalis)

Blühende Winterlinge im Schnee. Foto: Dominicus Johannes Bergsma, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Der Winterling ist eine ausdauernde, krautige Pflanze innerhalb der Familie der Hahnenfußgewächse. Die gerade mal 5 cm bis 20 cm hohe Pflanze bildet unterirdische kugelförmige Knollen als Überwinterungsorgan. Noch bevor die ersten Laubblätter gebildet werden, treiben aus ihnen bereits im Winter oder Vorfrühling die etwa 2,5 cm großen gelben Blüten aus. Die Blütezeit erstreckt sich von Januar bis März, sodass man die Blüten dieses Schneeblühers häufig durch die noch weiße Schneedecke brechen sieht. Die Blüten bieten einen Nektar mit ungewöhnlich hohem Zuckergehalt (bis zu 72 %) an. Der hohe Zuckergehalt ist nicht nur eine wichtige Energiequelle für die an warmen Wintertagen bereits umherfliegenden bestäubenden Insekten, er dient der Pflanze auch als Frostschutzmittel. Zur Bildung des energiereichen Pflanzensaftes zehrt der Winterling aus den im Vorjahr in der Knolle angelegten Reserven, denn Photosynthese kann er ohne Laubblätter noch nicht betreiben. Zu den Blütenbesuchern zählen Bienen, Hummeln und Fliegen. Besucht werden die Blüten aber vor allem von verschiedenen Hummelarten, da diese schon bei deutlich niedrigeren Temperaturen fliegen können als die meisten Bienenarten. Ursprünglich in Südeuropa beheimatet, hat sich die Pflanze mittlerweile auch in Zentraleuropa und Nordamerika verbreitet. Sie liebt feuchte Laub- und Mischwälder, findet sich aber auch in Gebüschen und Weinbergen.



Schneeheide (Erica carnea)

Blütenstand der Schneeheide. Foto: Leo Michels, CC0, via Wikimedia Commons

Die Schneeheide (auch Winterheide genannt) ist ein immergrüner Zwergstrauch mit nadelförmigen Blättern aus der Familie der Heidekrautgewächse. Die Pflanzen sind reich verzweigt und erreichen Wuchshöhen bis 30 cm. Sträucher dieser kleinen Heidekrautart können über 30 Jahre alt werden. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich auf die Gebirge Europas. Obwohl die typische Blütezeit der Schneeheide erst im März beginnt, lassen sich in milden Wintern schon im Januar die ersten Blüten entdecken. Die weiß- bis rosafarbenen traubigen Blütenstände entwickeln sich aus bereits im Herbst angelegten Blütenknospen. Bienen und verschiedene Tagfalter besuchen diesen Schnee- und Frühblüher gern an den ersten wärmeren Sonnentagen im Winter und finden hier eine wichtige Nahrungsquelle nach der zehrenden Winterruhe.



Christrose (Helleborus niger) 

Blüten der Weißen Schneerose im Schnee. Foto: Jerzystrzelecki, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Die besser unter dem Namen Christrose bekannte Weiße Schneerose ist ein Schneeblüher aus der Familie der Hahnenfußgewächse. Wegen ihrer schwarzen Rhizome und Wurzeln und stark Niesreiz verursachender Inhaltsstoffe (Helleborein und Hellebrin) wird sie auch als Schwarze Nieswurz bezeichnet. Der Wirkstoff Helleborein hat zudem eine Digitalisglykosid ähnelnde Wirkung. Ihre pharmakologischen Eigenschaften machten Sie bereits in der Antike zu einer geschätzten Arzneipflanze, insbesondere bei Herzleiden. Heutzutage sind aus ihr zubereitete Niespulver jedoch verboten und die medizinische Anwendung ist in Vergessenheit geraten. Die 5 cm bis 10 cm großen weißen Blüten finden sich vereinzelt bereits ab November. Die Blütezeit reicht dann bis in den Mai hinein. Es können also von Herbst über den ganzen Winter bis in den Frühling Blüten dieser Pflanze erscheinen. Auch wenn die Blüten pollenfressende Insekten anlocken, ist die Bestäubung durch Insekten aufgrund der Blütezeit nicht zufriedenstellend. Aus diesem Grund neigt die Pflanze zur Selbstbestäubung.

Text: Fabian Kalis

Mit den immer kälter werdenden Temperaturen im Herbst beginnt Anfang November traditionell die Grünkohlzeit. Als typisches Wintergemüse wird diese deftige Kohlart vor allem in der Herbst- und Winterzeit genossen. Auch wenn Grünkohl heutzutage ganzjährig frisch erhältlich ist, wird er dennoch überwiegend als saisonale Delikatesse gegessen. Die Ernte des Blattgemüses beginnt gewöhnlich nach dem ersten Frost und kann sich über den kompletten Winter erstrecken.

Hochwachsender Grünkohl in seiner typischen Wuchsform

Der Grund für diese späte Ernte bei kühlen Temperaturen ist, dass bestimmte Stoffwechselprozesse in den Blättern, die dem Grünkohl seinen typischen Geschmack verleihen, erst bei Temperaturen um den Gefrierpunkt beginnen. Bei diesen niedrigen Temperaturen kann die Pflanze den durch die Photosynthese gebildeten Traubenzucker nicht mehr in Stärke umwandeln und lagert diesen daher direkt in den Blättern ein. Dadurch steigt der Zuckergehalt in den Blättern und der Kohl bekommt einen süßlichen Geschmack.

Verschiedene Grünkohlsorten in einem Beet

Als eine Zuchtform des Gemüsekohls (Brassica oleracea) gehört der Grünkohl zur gleichen Pflanzenart wie auch Rosenkohl, Brokkoli, Blumenkohl und viele andere in der Küche genutzten Kohlarten. Zur Gattung der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae) gehörend, enthält auch der Grünkohl die für die Gattung typischen Senfölglykoside. Diese verleihen allen Kohlgewächsen ihren deftigen, leicht scharfen Geschmack und das typische Kohlaroma.

An der bei Insekten beliebten Blüte erkennt man die Verwandtschaft mit anderen Kohlsorten

In der Pflanzenheilkunde schätzt man die antibakterielle, antivirale, entzündungshemmende und immunstärkende Wirkung dieser Inhaltsstoffe. Die Kohlgewächse eigenen sich also hervorragend, um den Körper in der Zeit von Erkältungskrankheiten zu schützen und entsprechende Leiden zu lindern. Neben diesen stark wirksamen Senfölglykosiden enthält Grünkohl mit bis zu 8,6 mg / 100 g einen der höchsten Vorkommen an Betacarotinen von allen Lebensmitteln. Diese Wirkstoffe haben eine zellschützende, antioxidative Wirkung und spielen eine wichtige Rolle im gesamten menschlichen Körper. Auch eine krebshemmende Wirkung wird ihnen zugeschrieben. Darüber hinaus enthält roher Grünkohl bis zu 150 mg / 100 g an Vitamin C, was ihn zu einem der Vitamin-C-reichsten Lebensmittel überhaupt macht. Neben Vitamin C finden sich in den reifen Grünkohlblättern zudem Vitamin A, Vitamin B1, B2, B3, B6, B9, Vitamin D, Vitamin E und vor allem eine große Menge an Vitamin K. Da Vitamin C und viele andere Vitamine jedoch beim Kochen zerstört werden, spielen diese bei der traditionellen Zubereitung keine Rolle. Die Grünkohlblätter finden jedoch auch in der Rohkost Verwendung. Ebenso ist Grünkohl reich an Spurenelementen wie Eisen, Magnesium, Phosphor, Natrium, Calcium, Zink und Kalium. Dies macht Grünkohl zu einem echten Superfood.

Grünkohl wird vorwiegend in Norddeutschland, den Niederlanden und dem südlichen Teil Skandinaviens gegessen. Typischerweise wird er zusammen mit Kassler oder grober Bratwurst (Pinkel, Grützwurst, Kohlwurst) und Kartoffeln genossen. In vielen Gegenden gehört Grünkohl klassischerweise zum Weihnachtsessen. Besonders in Norddeutschland finden sich zudem kulturelle Festlichkeiten rund um den Grünkohl und das Grünkohlessen. Hier werden unter anderem regionale Grünkohlfeste gefeiert, bei denen nicht selten Grünkohlkönige & -königinnen gekürt werden. Besonders bekannt ist hierfür die Stadt Oldenburg mit ihrem jährlichen Ollborger Gröönkohl-Ätens. Die berühmteste Trägerin des hier verliehenen Titels des Oldenburger Kohlkönigs ist Altbundeskanzlerin Angela Merkel.

Winterlicher Grünkohl mit Eis im Frost

Da die meisten Grünkohlarten winterhart sind und auch über den Winter ihre grünen Blätter behalten, kann frischer Grünkohl häufig die komplette Winterzeit geerntet werden. Besonders in früheren Zeiten, in denen frisches Obst und Gemüse (und somit auch viele Vitamine) in der Winterzeit rar waren, gehörte der Grünkohl zu einem unentbehrlichen Teil der winterlichen Küche. Er war eines der wenigen Lebensmittel, die auch in der kalten Jahreszeit in frischer Form zur Verfügung standen. Der vitaminreiche Grünkohl sicherte so Gesundheit und Leben vieler nordeuropäischen Menschen in der sonst eher kragen Winterzeit des kalten Nordens.

Text: Fabian Kalis

Bilder: www.pixabay.com

In der Nacht zwischen Oktober und November feiern insbesondere viele amerikanische Menschen Halloween. Doch auch in anderen Ländern erfreut sich das gruselige Spektakel zunehmender Beliebtheit. Verkleidet als furchteinflößende Gestalten ziehen die Kinder umher und fordern leckere Gaben ein. Diese Tradition ist aber keinesfalls nur ein Klamauk der modernen Spaßgesellschaft, sondern hat ihre Ursprünge in alten heidnischen Festlichkeiten.

Halloween findet seine Ursprünge in heidnischen Ritualen der irischen Kelten. Diese feierten in der Nacht zum ersten Novembertag das Fest Samhain, welches den Beginn des keltischen Neujahres markierte. Irische Einwanderer brachten diese Tradition in die Neue Welt und dort entwickelte sich dann daraus das moderne, amerikanische Halloweenfest. In dieser Nacht zwischen dem alten und dem neuen Jahr, so hieß es in der keltischen Mythologie, stünden die Pforten zur Welt der Toten offen. Die Seelen der Toten, verstorbene Ahnen und andere Geister würden in dieser Zeit in der Welt der Lebenden umherziehen, glaubte man. Damit sich diese auf ihrem Weg nicht verirrten, stelle man Laternen aus Rüben und Kürbissen an die Häuser. Auch brachte man den hungrigen Geistwesen Opfergaben in Form von Speis & Trank dar. Dies sollte dazu führen, dass einem die andersweltlichen Gestalten wohlgesonnen blieben. Ebenso wollte man sichergehen, dass alle umherziehenden Wesenheiten nicht aufgrund von Hunger oder Erschöpfung ihren Weg nicht mehr zurück in die Welt der Toten finden würde und so im Diesseits für Unglück und Elend sorgen könnten.

Auch wurden rituelle Räucherungen durchgeführt, um Haus und Hof vor den weniger wohlwollenden Energien zu schützen, aber auch um gegenüber den Ahnen Dankbarkeit auszudrücken und als Opfergabe. Samhain ist eine Zeit, in der man die Toten um Rat bitten konnte oder sich mit den Ahnen aussprechen konnte. Zu keiner anderen Zeit galt die Verbindung zum Jenseits so nah und greifbar. Für diesen Zweck wurden ebenfalls spezielle Rituale zelebriert, die häufig mit zauberhaftem Räucherwerk untermalt wurden.

Auch heutzutage nutzen viele Menschen diese besondere Nacht für eine Besinnung auf die Verstorbenen und führen Räucherrituale durch. Ganz gleich, mit welcher Intention man an Halloween räuchern möchte, ob zum Schutz vor Unglück und Unheil, als Opfergabe für die Verstorbenen oder einfach zum Schaffen einer passenden Duftatmosphäre, finden sich viele Räucherstoffe, die wunderbar zu dieser magischen Nacht passen. Das nachfolgende Rezept soll eine Inspiration sein, sein eigenes Räucherritual zu Halloween / Samhain zu zelebrieren:

Räuchermischung Samhain

Erdrauchkraut – Dieses Kraut wurde schon von den Germanen & Kelten genutzt, um Kontakt mit den Ahnen aufzunehmen.

Bernstein – Bernstein steht symbolisch für die Vergangenheit, für lange verstorbene Seelen, und tief verborgen liegendes.

Schwarzer Copal – Dieses Harz aus Mittel- und Südamerika gilt den dortigen Völkern als eine Nahrung der Toten und steht im Zusammenhang mit dem Jenseits.

Beifußblüten – Beifuß ist eines der ältesten Räucherkräuter und wurde schon in der Steinzeit rituell genutzt. Weltweit gilt Beifuß als eine Schutzpflanze, die vor negativen und unheilvollen Energien schützt. Außerdem soll Beifuß den Geist öffnen und empfänglich machen für Botschaften aus anderen Welten.

Holunderholz – Holunder war in der Mythologie der nordeuropäischen Waldvölker eng mit dem Reich der Toten & Ungeborenen verbunden.

Wacholderspitzen – Wacholder ist genau wie der Beifuß eine Schutzpflanze, deren aromatischer Rauch Dämonen, Unheil & negative Energien vertreiben soll

Wacholderbeeren – Die süßlich, harzig duftenden Wacholderbeeren sind eine gute Opfergabe für jenseitige Gestalten

Text: Fabian Kalis

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Die Weiße Lichtnelke (Silene latifolia) öffnet ihre leuchtend-weißen Blüten erst am späten Nachmittag. So verströmen die im späten Sommer blühenden Pflanzen ihren intensiven Duft, der verschiedene Nachtfalter anlockt, erst zu Tagesende bis in die sommerliche Abenddämmerung. Die zahlreichen Nachtschwärmer, die die Blüten als Nahrungsquelle aufsuchen, sind zugleich wichtige Beutetiere für Fledermäuse.

Die Weiße Lichtnelke ist eine meist zweijährig wachsende krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 30 cm bis 120 cm erreichen kann. Sie bildet dabei tief reichende, bis zu 60 cm lange Wurzeln. Die fünfzähligen Blüten sind leuchtend weiß, abends stark duftend, haben 1,5 cm bis 3 cm lange Kelchblätter sowie etwa 3 cm lange, weiße Kronblätter. Nach der Blüte bildet sich im Kelch eine eiförmige Kapselfrucht, die eine Vielzahl mohnähnlicher kleiner Samen enthält. Die Pflanze wächst häufig an Ruderalplätzen, Acker- und Wegesrändern. Die Blütezeit reicht von Juli bis spät in den September.

Der Stängel der zur Gattung der Leimkräuter (Silene spp.) gehörenden Lichtnelke ist an der Basis verzweigt und behaart. Die Laubblätter sind gegenständig angeordnet und können 3 cm bis 10 cm lang werden. Die Blätter sind eiförmig bis eiförmig-lanzettlich, spitz und behaart. Die grundständigen Blätter wachsen gestielt, die oberen Blätter sitzend.

Doch die Weiße Lichtnelke ist als Nachtblüher nicht nur eine wichtige Nahrungsquelle für langrüsselige Nachtschwärme und somit auch ein Magnet für Fledermäuse, sie ist zudem eine praktische Nutz- und Heilpflanze. Die vor allem in der langen Wurzel vorkommenden Saponine (Seifenstoffe) können sich auf unterschiedliche Weise nutzen lassen. Zu Extraktion der Wirkstoffe legt man die kleingeschnittene frische Wurzel in kaltes Wasser ein. Unter gelegentlichem Schütteln lässt man den Ansatz für etwa 12 Stunden ziehen. Ist der Extrakt fertig, merkt man, wie sich beim Schütteln reichlich Schaum im Wasser bildet. Den nun fertigen Extrakt kann man durch ein Sieb abgießen, um die Wurzelstücke von der Flüssigkeit zu trennen. Die seifige Flüssigkeit kann nun als Waschmittel für Körper, Geschirr & Kleidung genutzt werden. Der saponinhaltige Extrakt kann zudem als schleimlösende Medizin innerlich eingenommen werden. Die Saponine helfen festsitzenden Schleim in Hals, Bronchien und Nebenhöhlen zu lösen. Außerdem bilden sie einen Schutzfilm auf den Schleimhäuten, der eine entzündungshemmende, beruhigende und keimtötende Wirkung. Aus diesem Grund wird die Weiße Lichtnelke besonders zur Behandlung von verschleimten und entzündeten Nebenhöhlen angewendet.

Text: Fabian Kalis

Bildnachweis: Muséum de Toulouse, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons / Loz (L. B. Tettenborn), CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Am 21.09.2023 war der kalendarische Herbstanfang. Nach der kalendarischen Einteilung wird das Jahr in 4 gleichlange Jahreszeiten aufgeteilt, die alle an einem festen Datum beginnen und enden. Zu Grunde liegen dabei die Daten der Sommer- und Wintersonnenwende jeweils um den 21ten Juni bzw. Dezember. Der meteorologische Kalender macht es sich noch einfacher: zur Erleichterung statistischer Auswertungen werden jeder Jahreszeit jeweils 3 am Monatsanfang beginnende, komplette Monate zugeordnet. Der meteorologische Herbstanfang war daher bereits am 01. September.

Die Blüte der Herbstzeilose (Colchicum autumnale) erinnert an Krokusse.

Die Natur sieht es aber weit weniger eng mit den Jahreszeiten. Wann eine Jahreszeit beginnt und wann sie in die nächste übergeht, ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich und lässt sich keinesfalls immer am gleichen Datum beobachten. Dennoch sind es typische Vorgänge und Veränderungen in der Natur, die jeweils Beginn und Ende einer Jahreszeit verkünden und sich jedes Jahr aufs neue beobachten lassen. In manchen Jahren sind diese Veränderungen besonders früh, in manchen Jahren besonders spät. Es ist aber zu beobachten, dass bestimmte Phänomene stets miteinander auftreten und typisch sind für eine bestimmte Jahreszeit. Diese Einteilung der Jahreszeiten nach typischen Ereignissen in der Natur findet sich im Phänologischen Kalender. Dieser Kalender teilt das Jahr nicht in 4 sondern in 10 verschiedene Jahreszeiten, denen jeweils ganz bestimmte Naturereignisse zugeordnet sind. Wann diese Jahreszeiten beginnen ist also nicht an ein bestimmtes Datum geknüpft, sondern abhängig von der Entwicklung der Natur. Nach dieser Einteilung beginnt das Jahr mit den Jahreszeiten Vorfrühling, Erstfrühling & Vollfrühling. Danach folgen Frühsommer, Hochsommer & Spätsommer, die dann in Frühherbst, Vollherbst und Spätherbst übergehen. Lediglich der Winter wird nicht weiter unterteilt.

Reife Früchte des Schwarzen Holunders (Sambucus nigra)

Nach dem phänologischen Kalender beginnt der Frühherbst mit der Reife der Holunderbeeren und der Rosskastanienfrüchte. Außerdem kündigt die Herbstzeitlosenblühte den Beginn des Herbstes an. Die Obsternte ist nun auf dem Höhepunkt angelangt. Sobald die Kartoffelernte beginnt und sich die allgemeine Laubverfärbung zeigt, geht der Frühherbst und den Vollherbst über. Wenn die Zeit des allgemeinen Laubabfalls und der Abschluss der Vegetationszeit gekommen ist, übernimmt der Spätherbst das Jahr.

Text: Fabian Kalis

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Dem süßen, wohlschmeckenden Saft ihrer Früchte, vor allem in der vergorenen Form als Wein, verdankt die Weinrebe ihre Verbreitung in alle Teile der Welt, in denen es warm genug ist, dass die Früchte reifen. Heutzutage verbinden wir die Weinrebe mit mediterranem Klima und sonnenbeschienenen Hängen der charakteristischen Weinberge. Ursprünglich ist die Weinrebe (Vitis vinifera) jedoch eine eher unscheinbare Kletterpflanze mit wenig süßen Früchten in den Auenwäldern Mitteleuropas gewesen. Ihre Wildform (Vitis vinifera ssp. sylvestris) findet sich heute nur noch selten in den einheimischen Wäldern. Erst durch Züchtungen des Menschen entwickelte sich die moderne, zur Weinherstellung nutzbare Form der Weinrebe (Vitis vinifera ssp. vinifera). Die Anfänge dieser Zucht reichen aber schon weit in der Geschichte der Menschheit zurück, was die Weinrebe zu einer der ältesten Kulturpflanzen macht.

Das die Weinrebe aber nicht nur mit dem berauschendem Saft ihrer Früchte punkten kann, sondern auch voller Heilkräfte steckt, ist wenig bekannt. Wegen ihrer Heilwirkungen wurde die Weinrebe daher zur Heilpflanze des Jahres 2023 gekürt. Die vielseitigen Anwendungen der Pflanze sind in der traditionellen Volksheilkunde vieler Kulturen schon lange in Gebrauch, moderne Forschungen konnten diese mittlerweile auch rational nachweisen. So spielen Zubereitungen aus der Weinrebe auch in der modernen Schulmedizin und in der Phytotherapie eine wichtige Rolle. Genutzt werden dabei vor allem die Blätter und die Samen.

Die Inhaltsstoffe der Blätter, insbesondere die der Roten Weinrebe (Vitis vinifera var. tinctoria), werden zur Behandlung von Ödemen (Wasseransammlungen im Körper) genutzt. Die Wirkung ist auch vorbeugend nutzbar, da die innerlich angewandten Weinrebenblätter dabei helfen, die Wände der Kapillare abzudichten und so den Flüssigkeitsaustritt ins umliegende Gewebe tu verhindern. Verantwortlich für diese Wirkungen sind unter anderem Flavonoide, Polyphenole und Proanthocyanidine. Darüber hinaus wirkt das Laub der Weinrebe entzündungshemmend und bindet freie Radikale im Blut. Ebenso hat es die Wirkung, die Verklumpung von Blutplättchen zu hemmen, was der Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) entgegenwirkt.

Aus diesen Gründen wird die Weinrebe in der modernen Phytotherapie innerlich hauptsächlich zur Behandlung chronischer Venenschwäche angewendet. Sie hilft dabei, die typischen Symptome wie Schwellungen, Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen sowie Juckreiz und Spannungsgefühle in den Waden zu lindern. Außerdem hilft sie gegen Wadenkrämpfe. Äußerlich werden die Weinblätter unter anderem zur Behandlung von Krampfadern, Besenreisern und Hämorrhoiden genutzt. Insbesondere bei letzterem Leiden hilft die entzündungshemmende Wirkung zudem gegen die typischen Symptome wie Juckreiz und Brennen.

Auch in den Samen der Weinrebe steckt eine starke Heilwirkung. Die Inhaltsstoffe und Anwendung überschneiden sich mit denen der Blätter. Aus den Samen, in denen sich zudem eine große Menge an Vitamin E findet, werden häufig Extrakte hergestellt. Verwendet werden diese innerlich ebenfalls zur Behandlung von chronischer Venenschwäche, aber auch äußerlich zur Wundheilung und bei Entzündungen. Die insbesondere in den Samen vermehrt vorkommenden Proanthocyanidine sind außerdem Gegenstand der Forschung zur Behandlung von Demenz und Krebserkrankungen.

Text: Fabian Kalis

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Im späten Sommer zieren die gelben Knopfblüten des Rainfarn Straßen- und Wegesränder. Die stark duftende Pflanze mit den an Farn erinnernden Blättern ist vielen Bestäubern eine wichtige Nahrungsquelle im sonst eher kargen Blütenangebot des nahenden Herbstes. Von vielen heute als Unkraut verschmäht, war der Rainfarn in früheren Zeiten jedoch eine wichtige Heil- und Zauberpflanze. Auch als Färberpflanze wurde der Rainfarn verwendet.

Der Rainfarn (Tanacetum vulgare), der auch als Wurmkraut bezeichnet wird, wurde früher als ein Mittel gegen Darmparasiten bei Mensch und Tier eingesetzt. Hierzu wurden die frischen oder getrockneten Blütenköpfe innerlich eingenommen. Bei der Dosierung muss man jedoch vorsichtig sein, da die innerliche Verwendung großer Mengen Rainfarns eine negative Wirkung haben kann. Da der Wirkstoffgehalt im Rainfarn wie bei allen Naturprodukten schwanken kann, ist eine genaue Mengenangabe stets individuell zu evaluieren. Grund für diese antiparasitäre Wirkung sind die im Kraut reichlich enthaltenen Bitterstoffe. Besonders Thujone, die auch für das typisch bittere Aroma von Wermut, Beifuß und Absinth verantwortlich sind, finden sich im ätherischen Öl des Rainfarn. Darüber hinaus sind es vornehmlich Campher und Borneol, die diesem Kraut seinen unverwechselbaren Duft verleihen. Es finden sich aber auch Cumarine und in geringen Mengen eine Vielzahl weiterer Duftstoffe. Rainfarn, insbesondere das extrahierte ätherische Öl, hat zudem eine stark insektizide Wirkung. Aus diesem Grund wurde Rainfarn früher genutzt, um Ungeziefer und Schädlinge aus Kleiderschränken und Vorratskammern fernzuhalten. Waschungen mit Abkochungen oder Ölen aus Rainfarn wurden zur Behandlung und Vorbeugung bei Flöhen und Kopfläusen verwendet. Das Kraut wurde zudem neben Äckern angepflanzt, um Kartoffelkäfer und andere Insekten von den Feldern zu vertreiben. Aus diesem Grund findet sich das Kraut noch heute häufig wildwachsend am Rand von Ackerflächen.

Äußerlich wurden Breiumschläge aus dem frischen Kraut zur Behandlung von Prellungen, Quetschungen, Verstauchungen, Krampfadern und Rheuma verwendet. Hildegard von Bingen empfahl eine Suppe aus Rainfarnblättern bei Verdauungsbeschwerden. Moderne Studien konnten zudem eine antivirale Wirkung von Extrakten aus der Pflanze nachweisen. Diese Wirkung führt man auf die Inhaltsstoffe Isochlorogensäure und Axillarin zurück.

In der Imkerei ist der getrocknete Rainfarn ein beliebtes Kraut für die Imkerpfeife. Die lang glühenden Pflanzenteile erzeugen einen lieblich, aromatisch duftenden Rauch, mit denen die Bienen eingeräuchert werden. Mehr hierzu findet sich in meinen Artikel Starker Tobak für die Imkerpfeife. Als Färberpflanze wurde der Rainfarn zudem genutzt, um Stoffe und Garne dunkelgelb zu färben. Hierzu müssen die Blütenköpfe jedoch noch mit Alaun gebeizt werden. Man braucht ca. 400 g Blütenköpfe, um 100 g Stoff oder Garn zu färben.

Der Rainfarn war auch eine wichtige Zauberpflanze. Bündel des getrockneten Krautes wurden in Haus und Ställen aufgehängt und sollten vor Blitzschlag und anderem Unheil schützen. Verräuchert wurde die aromatische Pflanze, um aufziehende Unwetter abzuwehren. Volkstümliche Bezeichnungen wie Donnerkaut, Blitzkraut und Gewitterkraut deuten noch heute auf diese Verwendung hin. Doch nicht nur Wetterzauber ließen sich mit dem Rainfarn durchführen. Auch gegen »Unwetter« spiritueller Natur sollte das Kraut helfen. So wurde es rituell verwendet, um negative Energien zu beseitigen, vor bösen Geistern zu schützen und aufgeladene Stimmungen zu harmonisieren.

Text: Fabian Kalis

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Die bis in den Herbst hinein blau blühende Wegwarte, deren Blatt- und Blütenform an Löwenzahn erinnert, ist eine ausdauernde, krautige Pflanze. Das zart anmutende Kräutlein ist dabei sehr robust und gedeiht auf verdichtetem, trocknen und salzhaltigen Böden. Aus diesem Grund findet man sie häufig an Straßen und Wegesrändern. Die Blütezeit reicht von Juli bis spät in den Oktober, sodass die Wegwarte ein gern gesehenes Nahrungsangebot im sonst eher blütenkargen Herbst bietet. Wichtige Bestäuber sind verschiedene Bienenarten sowie Schwebfliegen. Ihre Blüten öffnet sie aber nur in den Morgenstunden von ungefähr 6:00 Uhr bis 11:00 Uhr. Die Blüten öffnen sich nur für einen einzelnen Tag. Die Wegwarte erreicht Wuchshöhen von etwa 30 cm bis 140 cm und bildet aufrechte, kantige Stängel.

Uns Menschen ist die Wegwarte vor allem in ihren Zuchtformen bekannt: Als Chicorée, Radicchio, Zuckerhut oder Puntarelle finden Kultursorten der wilden Wegwarte Einzug in unsere Küchen. Doch auch die Wildform der Gemeinen Wegwarte (Cichorium intybus) kann als Wildgemüse von uns gegessen werden. Die im Laufe des Jahres immer bitterer werdenden Blätter der Wegwarte sind ein beliebtes Blattgemüse und können roh als Salat gegessen werden oder ähnlich wie Spinat als gegartes Gemüse verwendet werden. Die tief reichende Pfahlwurzel kann gewaschen und geschält als Wurzelgemüse genutzt werden. Um die in der Wurzel enthaltenen Bitterstoffe zu entfernen, legt man diese vor der Zubereitung für einige Stunden in Wasser ein. Eine weitere Verwendung der bitterstoffreichen Wurzel ist die Zubereitung des Zichorienkaffee aus der getrockneten, kleingemahlenen und gerösteten Wurzel. Die hellblauen Blüten können als essbare Salatdeko genossen werden.

Weitaus weniger bekannt ist, dass die Wegwarte auch eine Vielzahl an Heilkräften besitzt. Schon im Mittelalter wurde sie unter dem Namen solsequium erwähnt. Paracelsus schätzte sie als schweißtreibende Arznei, Sebastian Kneipp empfahl sie bei Erkrankungen von Magen, Darm und Leber. In der traditionellen Volksheilkunde gilt die Wegwarte als ein Mittel zur Heilung und Stimulierung von Leber, Galle und Milz. Äußerlich findet sie Verwendung bei Hautkrankheiten wie Ekzemen und Entzündungen. In der rationalen Phytotherapie wird sie aufgrund ihrer verdauungssaftanregenden Eigenschaften genutzt. Verantwortlich für diese Wirkung sind Guajanolide, die der Wegwarte auch ihren bitteren Geschmack verleihen. Neuere Studien konnten bei der Pflanze auch eine sedative, stressmindernde und psychorelaxierende Wirkung nachweisen. Aufgrund ihrer zahlreichen Heilanwendungen wurde die Gemeine Wegwarte zur Heilpflanze des Jahres 2020 gekürt.

Darüber hinaus galt die Wegwarte früher als eine mächtige Zauberpflanze, die vor allem in Liebeszaubern Anwendung fand. Eine unter das Kopfkissen einer Jungfrau gelegte Wegwarte sollte den zukünftigen Liebhaber im Traum erscheinen lassen. Eine am Peterstag mit einem Hirschgeweih ausgegrabene Wegwartenwurzel konnte andere Menschen betören, verführen & aphrodisieren, wenn man sie mit dieser berührte, so der Aberglaube. Andere Zauber und Rituale mit dieser Pflanze sollten Krieger im Kampf unbesiegbar machen. Einer alten Sage nach sind die Blüten der Wegwarte die blauen Äuglein eines jungen Burgfräuleins, welches seit ewigen Zeiten vergebens am Wegesrand auf die Rückkehr ihres im Krieg gefallenen Geliebten wartet.

Text: Fabian Kalis

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Jeder frischgebackene Wildkräuterfreund kennt das: Man entdeckt eine unbekannte Pflanze am Wegesrand, die man gerne genauer kennenlernen möchte. Ausgestattet mit einem hübsch bebilderten Bestimmungsbuch, soll nun die Pflanze einen Namen bekommen. Doch auch nachdem man das ganze Buch zum 5ten mal komplett durchgeblättert hat, lässt sich die besagte Pflanze immer noch nicht finden. Ist sie zu selten? Zu ungewöhnlich? Ist das Kräuterbuch ungeeignet? Entmutigt und ohne Erkenntnisse zieht man weiter. Gelernt hat man leider nichts. Vielleicht muss es doch noch mal ein teureres und besseres Bestimmungsbuch sein. Doch irgendwann, nach immer mehr erfolglosen Bestimmungsversuchen und Frust über schöne, aber ungeeignete Bestimmungsbücher, beginnt der Spaß am neuen Hobby zu schwinden.

Besonders wenn sich später herausstellt, dass die besagte Pflanze doch in dem Büchlein gelistet war, man es aber nicht vermochte, sie anhand des Bildes zu erkennen und zu bestimmen, beginnt man an den eigenen Fähigkeiten zu zweifeln. Schuld an diesem Umstand sind aber weder die Bücher, noch der Pflanzenfreund. Vielmehr lassen sich die meisten Pflanzen einfach sehr schlecht anhand einzelner Bilder bestimmen. Und genau das ist das Problem in vielen Bestimmungsbüchern. Die vorgestellten Pflanzenarten werden mit einem einzelnen Foto versehen und das zu bestimmende Exemplar direkt vor einem, sieht irgendwie immer ganz anders aus.

Warum aber gibt es diese Vielfalt in der Pflanzengestalt? Als Beispiel soll hier einmal die Stechpalme dienen, deren Blätter eine unglaubliche Formenvielfalt aufweisen. Bekannt ist diese auch als Ilex bezeichnete Baumart für ihre stacheligen, immergrünen Blätter. Zusammen mit den roten Früchten sind sie eine beliebte Winter- und Weihnachtsdekoration. Die Merkmale sind eigentlich unverkennbar.

Stechpalme mit der typisch stacheligen Blattform

Schaut man sich die Zweige der Stechpalme genauer an, stellt man aber schnell fest, dass gar nicht alle Blätter Stacheln aufweisen. Nein, ganz im Gegenteil, ein Großteil der Blätter am Baum, hat einen runden, glatten Blattrand. Findet man also einen Zweig, an dem nur solche unstacheligen Blätter sitzen und man verlässt sich auf das typische Aussehen mit stacheliger Blattform, wie die Stechpalme typischerweise dargestellt wird, ist es naheliegend, dass man daran zweifelt, dass es sich um die gleich Pflanze handeln kann. Und doch stammen beide Blattformen von der gleichen Art.

Stechpalme mit überwiegend unstacheligen Blättern

Wie kommt es aber zu dieser Vielfalt in der Ausgestaltung der Blätter? Dabei handelt es sich nämlich nicht um individuelle Ausgestaltungen im Rahmen verschiedener Baumexemplare. Nein, an ein und demselben Baum finden sich die unterschiedlichsten Blattformen. Von ganz stachelig über leicht piksige Blätter bis hin zu komplett glatten, unstacheligen Exemplaren.

Die Stechpalmen haben grundsätzlich erstmal unstachelige Blätter. Jedes Blatt, was neu am Baum wächst, ist glatt und hat keine Stacheln. Doch gerade als immergrüner Baum, ist die Stechpalme ein beliebtes Futter bei allerlei Wildtieren. Besonders im kargen Winter, wenn frisches Grün rar ist. Rehe und andere Tiere knabbern die wehrlosen Blätter ab und freuen sich über den nahrhaften Snack. Der Baum jedoch lässt sich das nicht lange gefallen. Sind die Blätter einmal abgefressen, bilden die neu wachsenden Blätter einen piksigen Rand, um zukünftige Fraßfeinde abzuwehren. Je öfter ein Blatt an einer Stelle abgefressen wird, umso stacheliger wird der Rand. So kommt es, dass es auch am gleichen Baum, am gleichen Ast so unterschiedliche Blattgestaltungen bei der Stechpalme gibt. Nimmt man den Baum genauer unter die Lupe, stellt man fest: die stachligsten Blätter finden sich in Bodennähe, zur Baumkrone hin überwiegen die unstacheligen Blätter. Logisch, denn abgefressen werden natürlich nur die Blätter, an die Reh und Co auch ankommen.

Warum aber bildet die Pflanze nicht von Vornherein die stacheligen Blätter, um Fraßfeinde gänzlich abzuwehren? Ist es eine willentliche Hingabe, dem hungrigen Tier entgegen? Handelt es sich um gelebte Harmonie zwischen Tier und Baum im Sinne einer edlen Naturromantik? Nein, die Wahrheit ist viel pragmatischer: Die stacheligen Blätter haben eine deutlich verminderte Fähigkeit zur Photosynthese. Das Bilden des Fraßschutzes ist also ein Kompromiss, bei dem zum Schutz vor Verbiss auf ein Teil der Zuckerproduktion verzichtet wird.

Dies soll nur ein Beispiel sein, in was für einer Vielfalt sich einzelne Pflanzenarten zeigen können. Und eine Ermutigung, nicht zu verzweifeln, wenn die Pflanzen auf den Fotos in Bestimmungsbüchern immer ganz anders aussehen als in Echt. Es gibt natürlich noch viele andere Gründe und Phänomene, die die Ausgestaltung und den Wuchs einzelner Pflanzenarten beeinflussen, aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal. Und ein kleiner Tipp zum Schluss: Professionelle Bestimmungsbücher kommen komplett ohne Bilder aus. Die Bestimmung erfolgt hier anhand expliziter Merkmale, die in Textform abgeglichen werden können.

Räuchern gehört zu den ältesten Ritualen der Menschheit.  Beim Räuchern werden duftende Räucherstoffe auf einer glühenden Räucherkohle verräuchert. Dabei entsteht ein stark aromatischer Dampf, der sowohl olfaktorisch als auch pharmakologisch wirksam sein kann. Der Begriff Räuchern ist etwas irreführend, da beim richtigen Räuchern kein Rauch im eigentlichen Sinne entsteht. Die Räucherstoffe werden nicht verbrannt, sondern vaporisiert. Die in den Räucherstoffen enthaltenen Duft- & Wirkstoffe werden durch die Hitze der Räucherkohle verdampft. Es entsteht so ein stark duftender Nebel / Dampf, der im Gegensatz zu Rauch nicht schädlich für die Lunge ist. Je nach verwendetem Räucherstoff kann dieser Duftnebel sogar positive Wirkungen auf unser Atemsystem haben und dabei helfen, Atemwegserkrankungen zu lindern.

Bei intensiven Räucherungen in geschlossenen Räumen kann zuweilen schon mal ein dichter weißer Nebel entstehen, der den kompletten Raum füllt. Man braucht jedoch keine Angst zu haben, dass man hierbei ersticken oder sonst wie zu Schaden kommen könnte. Auch im dichtesten Räuchernebel bekommt man genügend Luft und atmet keine schädlichen Verbrennungsprodukte ein.

Ein so intensives Räucherritual ist eine eindrucksvolle Erfahrung. Es muss jedoch nicht immer auf eine so extreme Form zurückgegriffen werden. Je nach gewünschtem Effekt des Räucherrituals und eigenen Weltanschauungen reichen auch kurze und subtile Räucherungen aus.

Räuchern wirkt zum einen spirituell auf energetischer Ebene, zum anderen lösen die olfaktorischen Reize Assoziationsprozesse in unserer Psyche aus und nicht zuletzt haben einige Räucherstoffe auch eine pharmakologische Wirkung, die durch eingeatmete Wirkstoffe ausgelöst wird.

Die Geschichte des Räucherns ist eng mit der Geschichte der Nutzung des Feuers durch den Menschen verbunden. Unsere frühen Vorfahren haben sicherlich schnell mitbekommen, dass unterschiedliche Hölzer einen unterschiedlichen Duft verströmen, wenn sie ins Feuer gelegt werden.  Und mit den unterschiedlichen Aromen wurde auch die Stimmung und Atmosphäre und um das Lagerfeuer eine andere. Manches Brennmaterial sorgte für eine ruhige und sanfte Stimmung in der Gruppe, andere hingegen wirkten belebend und anregend, es ist leicht nachzuvollziehen, dass dieser Prozess schon bald bewusst ausgeführt wurde und durch weiteres Experimentieren immer weiter verfeinert wurde. Es entwickelte sich das richtige und bewusste Räuchern von Räucherstoffen auf glühenden Kohlen.

Auch heute noch nutzen wir diese archaische Technik für unsere modernden Räucherungen. Noch bis vor wenigen Generationen, als vornehmlich Holzöfen die Stuben heizten, konnte man die glühende Holzstückchen einfach aus dem heimischen Herd entnehmen. Oder kleine Kohle Stückchen zum Aufheizen ins Feuer legen.  Mittlerweile gibt es zum Räuchern moderne, selbstzündende Räucherkohlen. Diese praktischen kleinen Kohletabletten brauchen nicht erst in einem heißen Feuer zum Glühen gebracht werden. Sie sind mit Salpeter getränkt und lassen sich mit einem Streichholz oder Feuerzeug entzünden. Der Salpeter in den Kohlen verbrennt schnell und heiß und bringt die Räucherkohle innerhalb von weniger Minuten auf Temperatur.

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