Der Herbst ist die Zeit, in der die zwei- oder mehrjährigen Pflanzen sich in die Erde zurückziehen und tief in ihren Wurzeln ihre Lebenskraft speichern. Das oberirdische Kraut stirbt ab, es verwelkt und von der Pflanze ist ab dem späten Herbst nichts mehr zu erahnen. Doch versteckt im Inneren des Erdreichs warten diese Pflanzen mit einem hochlebendigen Schatz auf. Es sind die heilkräftigen Wurzeln, die in dieser Jahreszeit geerntet werden. Wer weiß, wo er suchen muss, findet nun viel stark wirksame Pflanzenmedizin im Erdreich verborgen.

In dieser Jahreszeit, in der das meiste oberirdische Grün schwindet, ist die Saison der meisten Heilkräuter längst vorüber. Doch es ist genau die richtige Zeit, um die Pflanzen zu ernten, von denen man die Wurzeln nutzt. Anders als die oberirdischen grünen Pflanzenteile, die oftmals im jungen frischen Zustand die meisten Heilkräfte besitzen, oder die Blüten, die dann geerntet werden, wenn die Pflanze ihren Höhepunkt im Jahreszyklus erreicht hat, sind die Wurzeln der zwei- oder mehrjährigen Pflanzen am heilkräftigsten, wenn sich die Pflanzen auf das Überwintern in der kalten Jahreszeit vorbereiten und sich mit ihrer ganzen Kraft, ihren Wirkstoffen und Pflanzensäften in das Wurzelreich zurückziehen.

Viele Heilpflanzen der traditionellen Volksmedizin tragen in ihrem Namen bereits einen Hinweis darauf, dass von ihnen die Wurzel verwendet wird: Nelkenwurz, Pestwurz, Blutwurz, Engelwurz und Nieswurz sind nur einige von ihnen. Dabei war die Bezeichnung Wurz historisch keineswegs nur den unterirdischen Pflanzenteilen vorbehalten. In früheren Zeiten bezeichnete das Wort Wurz sämtliche Pflanzenteile. Der Wortursprung geht dabei auf die Bedeutung „Gewachsenes“ oder „Trieb“, „Zweig“ oder „Ast“ zurück. Auch Wurstwaren, die unter Bezeichnungen wie „Kaminwurz“ oder „Pfefferwurzen“ eine lange Tradition haben, verdanken ihren Namen diesem Ursprung. Ihre längliche, astähnliche Form brachte ihnen ihren Namen. Später wurden dann nur noch die besonders heilkräftigen Pflanzen als Wurz bezeichnet und im Laufe der Zeit wandelte sich die Wortbedeutung immer mehr in Richtung der unterirdischen Pflanzenteile, so dass wir heute eben diese Pflanzenteile meinen, wenn wir von Wurz oder Wurzeln reden.

Blütenstand der Großen Klette (Arctium lappa). Auch ihre Wurzel sammelt man jetzt im Herbst. Sie hilft gegen Schuppen, juckende Kopfhaut und stärkt die Haarwurzeln.

Die Endung Wurz in noch heute genutzten Pflanzennamen ist also häufig ein Nachhall ihrer einst sehr geschätzten Heilkräfte. Ein paar dieser Wurzen möchte ich im Folgenden etwas näher beschreiben.

Klettenartige Frucht der Echten Nelkenwurz

Die Echte Nelkenwurz (Geum urbanum) ist eine Pflanzenart aus der Familie der Rosengewächse. Ihren Namen verdankt sie der stark nach Gewürznelke duftenden Wurzel. Diese Wurzeln wurden bereits in der Antike wegen ihrer stark tonisierenden und heilenden Kräfte geschätzt. Die alten Griechen setzten mit ihr stärkende und aromatische Heilweine an, die gegen allerlei Leiden helfen sollten. In zahlreichen historischen Kräuterbüchern finden sich die unterschiedlichsten Anwendungen der Nelkenwurz. So wurde sie bei Blasenschwäche, Zahnweh, Durchfall, Hämorrhoiden, Verdauungsbeschwerden, Hauterkrankung, Entzündungen der Mundschleimhäute, Gelbsucht und Brustbeschwerden eingesetzt. In dieser vielseitigen Anwendung zeigt sich ganz eindeutig, welch starke Heilkräfte die Menschen dieser Pflanze einst zuschrieben. Sie ist eine also eine echte Wurz, eine stark wirksame Heilpflanze. In der modernen Phytotherapie wird sie allerdings nur noch wegen ihrer Gerbstoffe als ein Mittel gegen Durchfallerkrankungen und Hautleiden eingesetzt. Die aromatischen Wurzelstöcke können jedoch auch in der Küche zum Würzen von Speisen und Gebäck verwendet werden.

Blütenstand einer Pestwurz im Frühjahr

Auch die Pestwurz (Petasites hybridus) wurde einst als eine starke Medizin verehrt. Sie verdankt ihren Namen der Anwendung als eine der Heilpflanzen, die im Mittelalter gegen die Pest eingesetzt wurden. Auch eine schleimlösende sowie eine entzündungshemmende und kühlende Wirkung bei Insektenstichen wurde ihr nachgesagt. In der modernen Phytomedizin entdeckte man zudem eine spasmolytische (krampflösende) und analgetische (schmerzstillende) Wirkung von Zubereitungen aus der Pflanzenwurzel. Ebenso hat die Pflanze eine antiallergische Wirkung, die vergleichbar ist mit synthetischen Antihistaminika. Die Pestwurz gehört zu den Pflanzen, die ihre Blütenstände bereits im zeitigen Frühling vor dem Blattaustrieb erscheinen lassen. Sie ist damit eine der ersten wichtigen Bienenfutterpflanzen nach der langen Winterruhe.

Blüte und Blatt einer Blutwurz

Die Blutwurz (Potentilla erecta), deren Rhizome einen blutroten Saft ausscheiden, wenn man sie anschneidet, wurde gemäß der Signaturenlehre als ein blutstillendes Mittel verwendet. Auch als Färberpflanze fand die Blutwurz Verwendung. Der Pflanzensaft erzeugt je nach Anwendung eine gelbbraune bis rotbraune Färbung. Die Sámi (indigene Bevölkerung in Lappland) nutzten die Blutwurz zum Gerben von Rentierfällen, die dadurch gleichzeitig eine rotbraune Färbung erhielten. In der modernen Phytotherapie nutzt man die Blutwurz, wie fast alle Pflanzenwurzlen nur noch wegen ihres Gehaltes an Gerbstoffen bei Durchfall und Magen-Darm-Erkrankungen und als Spülung bei entzündlichen Erkrankungen der Mundschleimhäute.

Die Nieswurz (Helleborus spp.) wurde in früherer Zeit zu ganz besonderen Heilzwecken eingesetzt. Wie der Pflanzenname bereits erahnen lässt, löst ein Pulver aus  Wurzeln einen starken Niesreiz aus. Für unser modernes Heilverständnis ist das eine weniger erstrebenswerte Heilwirkung. In früherer Zeit glaubte man jedoch, dass Niesen, Erbrechen und Durchfall wirksame Methoden zum Heilen psychischer Krankheiten und Wahnsinnn seien. Medizin, die diese Effekte hervorrief wurde also als ein wichtiges Heilmittel in psychatrischen Belangen genutzt.  Der griechische Begriff „elleborosus“ (wörtlich übersetzt etwa „Helleborus benötigen“) bedeutet „verrückt“ und leitet sich von dem botanischen Namen der Nieswurz ab.

Alle diese stark wirksamen Pflanzenwurzeln sammelt man am besten jetzt im Herbst, wenn die oberirdischen Pflanzenteile verwelken und aus der Natur schwinden. Es ist die Jahreszeit, in der man seine Pflanzenhausapotheke mit den heilsamen Wurzen aufstocken kann.

Auch die Große Klette (Arctium lappa), die als zweijährige Pflanze im ersten Jahr als Blattrosette erscheint und erst im zweiten Jahr ihre eindrucksvollen, mehrere Meter hohen Blütenstände Richtung Himmel streckt, sammelt man im Herbst. Dabei nutzt man die Wurzeln der Pflanzen, die sich im Herbst des ersten Jahres befinden. In diesem Stadium halten sie ihre ganze Heilkraft bereit. Im Herbst des zweiten Jahres hat die Klette ihre ganze Lebenskraft in die Blüten gesteckt und stirbt anschließend vollständig ab. Diese Wurzeln enthalten kaum noch Wirkstoffe und Pflanzenkraft. Dies gilt gleichermaßen für alle anderen zweijährigen Pflanzen, von denen man die Wurzeln nutzt.

Wichtig ist, wie bei allen gesammelten Heilkräutern, dass man auch die Wurzeln gut trocknen lässt, bevor man sie einlagert. Besonders die unterirdischen Pflanzenteile im Herbst enthalten sehr viel Feuchtigkeit und fangen leicht an zu schimmeln, wenn man sie nicht genug trocknet.

Text: Fabian Kalis

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Schon lange bevor es unser moderens Erklärungsmodell mit Bakterien und Viren als Krankheitserreger gab, nutzen die Menschen die Kraft der Pflanzen, um sich vor Krankheiten zu schützen und gesund zu werden. Dabei wurden die entsprechenden Pflanzenprodukte auf vielfältige Weise eingesetzt. Heilkräutertees, und Pülverchen gehörten genauso wie auch das Räuchern zu den Anwendungen früherer Zeiten.

Krankheiten sah man früher als negative Energien, Geister oder auch Dämonen, die den Kranken befallen hatten. Bestimmte Rituale und Räucherstoffe wurden dann genutzt, um diese unerwünschten Gäste wieder aus dem Körper zu vertreiben. Es wurden Schutzräucherungen in Haus und Hofe, meist zu besonderen Fesstagen, zelebriert, um sich vorbeugend vor diesen Energien zu schützen.

Auch die christliche Kirche, die ja das Räuchern lange Zeit als heidnisches Teufelswerk verschrien hat, konnte die reinigenden und schützenden Aspekte einiger Räucherdüfte irgendwann nicht mehr ignorieren. Die großen Kirchen waren Zufluchtsort für Kranke und Sterbende. Man kann sich gut vorstellen, dass hier, insbesondere in Zeiten, in denen Hygiene einen sehr niedrigen Stellenwert in der Gesellschaft hatte, ein Sammelbecken von Infektionskrankheiten entstand. Wer gesund war und in die Kirche ging, konnte sich sehr leicht mit einer unschönen Krankheit anstecken. Zunächst war es dem Gestank geschuldet, denn ein Treffpunkt kranker, sterbender und ungepflegter Menschen, der die Kirchen ja waren, glänzte nicht unbedingt mit Wohlgerüchen, dass die Kirche begann das einst verteufelte Räucherwerk in den eigenen Reihen zu nutzen. Bei einem solch widerlichen Ambiente und der Angst, dass man ebenfalls von den Krankheiten befallen werden würde, schwand nämlich die Zahl der Besucher in den Kirchen. Es mangelte an Kundschaft. Und ohne Kundschaft, die ihr weniges Geld zum Sündenerlass der Kirche in den Rachen warf, drohte die Stellung der Kirche zu fallen. Eine Lösung musste her. Kurzerhand wurde insbesondere der Weihrauch, der ja schließlich schon dem Jesuskind geschenkt wurde, zu etwas heiligem erklärt und die Kirchen damit ausgeräuchert. Der neue Wohlduft frischte das schlechte Image der Krichen wieder auf und lockte viele neue Besucher in die kalten Hallen. Wie so vieles, wurde auch das Räuchern so von einem verbotenen Teufelstreiben zu etwas tugendhaften und christlichen gewandelt und von der Kirche adaptiert.

Schnell stellte man fest, dass mit dem Weihrauchduft nicht nur der Gestank schwand sondern auch die Zahl der Kranken weniger wurde. Gesunde Menschen, die nun die Kirchen betraten, wurden von den Krankheitsgesietern verschont. Klar, dass hier das Werk Gottes zugange war. So wurde dem Weihrauch als heiliges Gottesgeschenk eine immer höhere Stellung in den Zeremonien der Kirche zugetragen.

Diese krankheitsvertreibende Wirkung sprach sich rum. Auch die Zellen der Gefängnisse wurden nun regelmäßig mit dem göttlichen Reinigungsmittel ausgeräuchert, um Tod und Krankheit aus den dreckigen und stinkenden Verschlägen zu vertreiben. Auch bei der einfachen Bevölkerung, die das Räuchern heimlich weitergeführt und trotz verboten niemals aufgegeben hat, konnte sich dieses Tun nun mit dem Segen der Kirche wieder mehr entfalten und verbeiten.

Die Nutzung von Räucherwerk zum Schutz vor Krankheiten hat also eine lange Tradition. Doch wie ist damit in unserer modernen Zeit umzugehen, in der wir wissen, dass es Bakterien und Viren und keine Dämonen oder anderes Teufelswerk sind, die uns krankmachen? Ist das Räuchern also doch nur Hokuspokus? Ist die Wirkung auf rein energetischer Ebene und hat nichts mit moderene rationeller Erkenntnis zu tun? Waren die Wirkungen früherer Zeiten reine Placebo Effekte, die damit zu erklären sind, dass die Menschen einfach glaubten?

Nein, ganz im Gegenteil. Neben der energetischen und psychologischen Wirkung (olfaktorische Reize haben eine nachgewiesene Wirkung auf unseren Geist) haben die meisten Räucherstoffe auch eine pharmakologische Wirkung. Bestimmte Wirkstoffe, die in den Räucherstoffen enthalten sind, werden beim Räuchern freigesetzt und entfalten dann in unserem Körper (oder auch auf Bakterien und Viren in der Luft) eine nachweisliche Wirkung.

Insbesondere der echte Weihrauch (Boswellia spp.) und Wachholder (Juniperus spp.), die beide schon seit jahrtausenden als Reinigungs- und Schutzräucherungen angewendet werden, haben eine keimtötende Wirkung. Ihr Rauch hilft dabei Bakterien und Viren abzutöten. Sie desinfizieren die Luft und Oberflächen, die mit dem Rauch in Berührung kommen. Natürlich ist diese Wirkung nicht so stark, wie bei modernene Desinfektionsmittlen, sie ist aber dennoch nicht abzustreiten und nachweislich da. Auch auf unseren Körper wirken diese Räucherstoffe postitv. Sie helfen dabei Krankheitserreger, die bereits im Körper sind, zu bekämpfen und stärken unser Immunsystem.

So macht es also sowohl von energetischer als auch von empirisch wissenschaftlicher Ebene durchaus Sinn, gerade in der aktuellen Zeit, sich mit regelmäßigen Räucherungen von Weihrauch und Wachholder, vorbeugend vor Krankheiten zu schützen. Und ganz ehrlich: So ein Räucheritual mit all seinen Wohldüften hat auch auf unseren Geist eine ganz andere Wirkung, als würden wir mit einer Flasche Desinfektionsspray unsere Wohnungen „reinigen“. Und wie es um unseren Geist und unser Gemüt steht hat schließlich auch einen nicht zu vernachläßigenden Einfluss auf unsere körperliche Gesundheit und unser Immunsystem.

Neben Weihrauch und Wachholder wurden auch einheimische Baumharze, etwa von Fichte (Picea spp.) & Kiefer (Pinus spp.) sowie die verschiedenen Beifußarten (Artemisia spp.) geräuchert, um sich vor Krankheiten zu schützen. Auch diese Räucherstoffe haben ein leicht keimtötende Wirkung. So lassen sich wohlriechende und wirksame Räuchermischungen erstellen. Und dabei hilft uns der Schatz der Natur direkt vor unserer Haustür. Es müssen nicht immer die teuren importierten Harze sein. Aber auch gemischt mit anderen Räucherstoffen, kann so dem Räucherritual eine pharmakologisch wirksame Komponente gegen Keime begefügt werden.

Fabian