Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, was du bist, das weiß man kaum…
Alle Jahre wieder beginnt bei Millionen von Menschen die Suche nach dem geeigneten Weihnachtsbaum. Die Zeiten in denen man einfach im Wald einen lokalen Baum geschlagen und in die winterliche Stube verbracht hat sind für die meisten lange vorbei. Stattdessen wartet ein immer größer werdendes Handelsimperium mit einem riesigen Angebot an Bäumen auf. Wer möchte, der erhält seinen Baum heutzutage bequem per Post nach Hause geliefert. Auf Wunsch sogar mit Aufstell- und Anschlussservice…
Die diesem alten Brauch innewohnende Bedeutung ist kaum mehr bewusst (mehr dazu in meinem Artikel Weihnachtsschmuck & Wintergrün aus dem letzten Jahr). Die immer beliebteren und vollkommen unnatürlichen Plastikbäume als moderne und ach so ökobewusste Alternative zum echten Baum im eigenen Heim zeigen ganz klar, dass auch das letzte bisschen Sinn und Hintergrund dieser alten Tradition verloren und vergessen ist. Was bleibt ist ein sinnentleertes Ritual. Was sich aber in den ganzen Jahren nicht geändert hat, ist die oft irreführende Bezeichnung Tannenbaum für alle diese hölzernen Zimmergenossen, denn nicht selten sind die angebotenen Weihnachtsbäume nämlich gar keine Tannen.
Bis in die 60er Jahre war die Gemeine Fichte Picea abies der beliebteste Weihnachtsbaum in Deutschland. Auch heute noch finden sich viele dieser auch als Weihnachts-Fichten bezeichneten Exemplare im Angebot der Baumverkäufer. Bei dieser Art sorgt aber selbst der botanische Name für zunehmende Verwirrung im Baumwirrwarr: Picea ist die Gattungsbezeichnung der Fichten. Soweit alles klar. Die Artenbezeichnung abies (klein geschrieben) hingegen bedeutet „Tanne“. Nicht zu verwechseln mit Abies (groß geschrieben), der Gattungsbezeichnung der Tannen. Man könnten den Namen dieses Baumes also mit Tannenfichte übersetzen. Logisch, oder etwa nicht? Ein Vorteil dieses Weihnachtsbaumes: die Gemeine Fichte ist ein einheimischer Nadelbaum, der häufig in deutschen Wäldern angebaut wird. Man kann also mit Leichtigkeit einen lokalen Baum ohne weite Transportwege bekommen. Viele Forste bieten diese Bäume auch direkt zum Selberschlagen im heimischen Wald an. Wegen der rötlich braunen Färbung der Rinde wird dieser Baum auch als Rot-Fichte bezeichnet. Da die Menschen aber scheinbar schon lange ein Problem mit der Auseinanderhaltung von Fichten und Tannen haben, hat sich umgangssprachlich der Name Rot-Tanne für diesen Baum durchgesetzt.
Mittlerweile hat sich jedoch die aus den USA stammende Stech-Fichte Picea pungens als einer der beliebtesten Weihnachtsbäume weltweit durchgesetzt. Grund hierfür: im Vergleich zu anderen Fichten behält diese Art nach dem Schlag lange ihre Nadeln. Zudem verfügt sie über einen hohen Gehalt an ätherischen Ölen, die für den typischen weihnachtlichen Nadelbaumduft sorgen. Auch wenn diese Art hierzulande forstwirtschaftlich für den Weihnachstbaumverkauf angebaut wird, so sind zahlreiche der hier angebotenen Bäume Importe aus fernen Ländern. So wurde auch die Weihnachtstradition erfolgreich globalisiert. Aber auch dieser Baum sorgt mit seinem Namen für mehr Verwirrung: die Stech-Fichte wird auch Blau-Fichte genannt, da ihre Nadeln eine blaugrüne Färbung aufweisen. Der Begriff Blau-Fichte ist zwar botanisch korrekt, wird in unserem modernen Sprachgebrauch aber kaum verwendet. Durchgesetzt hat sich auch hier hingegen die eigentlich falsche Bezeichnung Blautanne für diesen Baum. Der Grund dafür ist die große Ähnlichkeit mit einem anderen Nadelbaum: der ebenfalls als Blautanne bezeichneten Edeltanne Abies procera.
Die Edeltanne Abies procera und insbesondere spezielle Zuchtformen von dieser Art mit einem besonders blaugrünen Nadelkleid sind zwar tatsächlich echte Tannen und werden unter der Bezeichnung Blautanne auch als Weihnachtsbaum genutzt, mit einem Anteil von nur 5 % am gesamten Weihnachtsbaumgeschäft ist dies aber keine häufige Erscheinung. Die allermeisten als Blautannen angebotenen Weihnachtsbäume sind hingegen eigentlich die Blau-Fichten.
Lediglich die Nordmanntanne Abies nordmanniana ist tatsächlich eine echte Tanne und spielt eine große Rolle beim Weihnachtsbaumvekauf. Hier passt der Name. Und diesen Baum kann man dann auch botanisch korrekt als Tannenbaum bezeichnen. Leider stammen auch hier fast alle Bäume nicht aus heimischen Forsten sondern haben eine lange Reise quer um die Welt hinter sich, bevor sie in unseren Stuben landen. Der Vorteil dieser Baumart: wie alle Tannen behält auch die Nordmanntanne ihre Nadeln sehr lange nach dem Schlag.
Die ebenso beliebte „Nobilistanne“ ist übrigens auch eine Form der Edeltanne Abies procera. Anders als ihr blaugrüner Verwandter wird diese Variante wegen ihrer silbrig schimmernden Nadeln auch gerne als Silbertanne bezeichnet. Botanisch handelt es sich jedoch bei beiden Bäume um verschiedene Varianten der gleichen Baumart. In speziellen Zuchtformen werden diese ganz natürlichen Unterschiede jedoch besonders hervorgebracht.
Eine weitere echte Tanne, die zumindest in den USA gerne als Weihnachtsbaum genutzt wird, ist die Colorado-Tanne Abies concolor. In unseren Gegenden spielt dieser Baum ursprünglich keine Rolle. Da aber auch das Weihnachstbaumgeschäft zunehmend digital, online, globalisiert und mit einem stetig wachsenden Sortiment von statten geht, kann man auch in Deutschland mehr und mehr Exemplare dieser Baumart erwerben.
Neben den Fichten und Tannen und Tannenfichten und Tannen, die eigentlich Fichten sind gibt es natürlich auch noch ganz andere Nadelbäume, die als weihnachtliches Grün genutzt werden.
Zu erwähnen wären hier noch die Douglasien (Pseudotsuga spp.). Diese artenreiche Baumgattung ist ebenfalls hauptsächlich in Nordamerika zu finden und spielt dort eine wichtige Rolle als Weihnachtsbaum. Hier in Europa kann man beim versierten Weihnachstbaumhändler des Vertrauens und natürlich auch online im Weihnachstbaumversand, wo man Bäume aus aller Welt bekommt, sicherlich auch solche Bäume erwerben (in geringem Maße werden sie sogar forstwirtschaftlich in Deutschland angebaut), zumindest derzeit noch sind sie aber eine unbedeutende Randerscheinung. Dort, wo dieser Baum dennoch zu finden ist, sorgen die Bezeichnungen aber für noch mehr Verwirrung: die Gewöhnliche Douglasie Pseudotsuga menziesii wird umgangssprachlich bei uns sowohl als Douglastanne, Douglasfichte & Douglaskiefer bezeichnet. Hier werden also nicht nur Tanne und Fichte in einen Topf geschmissen (das kennen wir ja bereits) sondern auch noch Kiefer und Douglasie mit in das Namenschaos genommen.
Das bringt uns zu eben jener Gattung: die Kiefern (Pinus spp.). Auch einige Arten dieser Baumgattung werden gelegentlich als Weihnachtsbaum in die warmen Stuben geholt. Da Kiefern aber recht schnell nach dem Schlag ihre langen Nadeln verlieren und im Vergleich zu Fichten und Tannen auch wesentlich kahler benadelt sind, haben sich die Kiefern nie wirklich durchsetzen können. Der erfolgreiche Baumhandel findet aber auch hier einen Weg: angepriesen als „Weihnachtsbaum für Minimalisten“, bieten einige Händler die Waldkiefer (Pinus silvestris) als besonders hochpreisige Spezialalternative zum herkömmlichen Baum an. Das Verkaufsargument: durch die wenigen Nadeln kommt der Baumschmuck besonders gut zur Geltung. Was dabei verschwiegen wird: die dünnen Zweige der Kiefern können kaum Gewicht tragen, so dass der Weihnachtsschmuck gleichfalls karg ausfallen muss. Die ungleichmäßige Wuchsform spricht Individualisten an und generell gilt die Kiefer als ein „Liebhaber-Baum“ für Menschen, die sich durch das kahle Aussehen und den raschen Verlust der Nadeln nicht abschrecken lassen. Weihnachtsbaum mal neu gedacht. Hauptsache anders ist hier die Devise der Baumhändler.
Wegen des ebenso schnellen Verlustes des Nadelkleides sucht man auch Eiben (Taxus spp.) vergebens als Weihnachtsbaum. Gleichermaßen sind die Eiben zumindest als Waldbaum in heimischen Wäldern nahezu ausgerottet. Auch ihr langsames Wachstum machen sie nicht gerade zu einem geeigneten Kandidaten für das jährliche Baumschlagen.
Die Lärchen (Larix spp.), die als einzige heimische Nadelbäume gleich den Laubbäumen ihr Nadelkleid im Winter komplett verlieren und somit um diese Jahreszeit nur als Astgerippe zu finden sind, machen demnach ebenso wenig Sinn als winterliches Grün.
Besonders wirr wird es aber erst wenn man sich im Sortiment der künstlichen Weihnachtsbäume aus Plastik umschaut: hier sind der Kreativität bei der Benennung scheinbar keine Grenzen gesetzt. Ganz gleich welche Form diese Bäume haben und welchem Original sie nachempfunden sind (wenn überhaupt irgendeinem…) wird hier mit den Bezeichnungen nur so um sich geworfen. Hier kann man Kiefer-Tannenbäume, Fichtentannenbäume, Weihnachts-Tannenfichten, Kiefertannen, Blautannenfichten, Rotkieferfichten, Weihnachtslärchen und Blaulärchen finden, um nur einige zu nennen. Die Verwirrung ist damit komplett.
In diesem Sinne: viel Freude bei der diesjährigen Weihnachtsbaum Suche. Jetzt endlich mit botanischer Klarheit.