Jeder frischgebackene Wildkräuterfreund kennt das: Man entdeckt eine unbekannte Pflanze am Wegesrand, die man gerne genauer kennenlernen möchte. Ausgestattet mit einem hübsch bebilderten Bestimmungsbuch, soll nun die Pflanze einen Namen bekommen. Doch auch nachdem man das ganze Buch zum 5ten mal komplett durchgeblättert hat, lässt sich die besagte Pflanze immer noch nicht finden. Ist sie zu selten? Zu ungewöhnlich? Ist das Kräuterbuch ungeeignet? Entmutigt und ohne Erkenntnisse zieht man weiter. Gelernt hat man leider nichts. Vielleicht muss es doch noch mal ein teureres und besseres Bestimmungsbuch sein. Doch irgendwann, nach immer mehr erfolglosen Bestimmungsversuchen und Frust über schöne, aber ungeeignete Bestimmungsbücher, beginnt der Spaß am neuen Hobby zu schwinden.
Besonders wenn sich später herausstellt, dass die besagte Pflanze doch in dem Büchlein gelistet war, man es aber nicht vermochte, sie anhand des Bildes zu erkennen und zu bestimmen, beginnt man an den eigenen Fähigkeiten zu zweifeln. Schuld an diesem Umstand sind aber weder die Bücher, noch der Pflanzenfreund. Vielmehr lassen sich die meisten Pflanzen einfach sehr schlecht anhand einzelner Bilder bestimmen. Und genau das ist das Problem in vielen Bestimmungsbüchern. Die vorgestellten Pflanzenarten werden mit einem einzelnen Foto versehen und das zu bestimmende Exemplar direkt vor einem, sieht irgendwie immer ganz anders aus.
Warum aber gibt es diese Vielfalt in der Pflanzengestalt? Als Beispiel soll hier einmal die Stechpalme dienen, deren Blätter eine unglaubliche Formenvielfalt aufweisen. Bekannt ist diese auch als Ilex bezeichnete Baumart für ihre stacheligen, immergrünen Blätter. Zusammen mit den roten Früchten sind sie eine beliebte Winter- und Weihnachtsdekoration. Die Merkmale sind eigentlich unverkennbar.
Schaut man sich die Zweige der Stechpalme genauer an, stellt man aber schnell fest, dass gar nicht alle Blätter Stacheln aufweisen. Nein, ganz im Gegenteil, ein Großteil der Blätter am Baum, hat einen runden, glatten Blattrand. Findet man also einen Zweig, an dem nur solche unstacheligen Blätter sitzen und man verlässt sich auf das typische Aussehen mit stacheliger Blattform, wie die Stechpalme typischerweise dargestellt wird, ist es naheliegend, dass man daran zweifelt, dass es sich um die gleich Pflanze handeln kann. Und doch stammen beide Blattformen von der gleichen Art.
Wie kommt es aber zu dieser Vielfalt in der Ausgestaltung der Blätter? Dabei handelt es sich nämlich nicht um individuelle Ausgestaltungen im Rahmen verschiedener Baumexemplare. Nein, an ein und demselben Baum finden sich die unterschiedlichsten Blattformen. Von ganz stachelig über leicht piksige Blätter bis hin zu komplett glatten, unstacheligen Exemplaren.
Die Stechpalmen haben grundsätzlich erstmal unstachelige Blätter. Jedes Blatt, was neu am Baum wächst, ist glatt und hat keine Stacheln. Doch gerade als immergrüner Baum, ist die Stechpalme ein beliebtes Futter bei allerlei Wildtieren. Besonders im kargen Winter, wenn frisches Grün rar ist. Rehe und andere Tiere knabbern die wehrlosen Blätter ab und freuen sich über den nahrhaften Snack. Der Baum jedoch lässt sich das nicht lange gefallen. Sind die Blätter einmal abgefressen, bilden die neu wachsenden Blätter einen piksigen Rand, um zukünftige Fraßfeinde abzuwehren. Je öfter ein Blatt an einer Stelle abgefressen wird, umso stacheliger wird der Rand. So kommt es, dass es auch am gleichen Baum, am gleichen Ast so unterschiedliche Blattgestaltungen bei der Stechpalme gibt. Nimmt man den Baum genauer unter die Lupe, stellt man fest: die stachligsten Blätter finden sich in Bodennähe, zur Baumkrone hin überwiegen die unstacheligen Blätter. Logisch, denn abgefressen werden natürlich nur die Blätter, an die Reh und Co auch ankommen.
Warum aber bildet die Pflanze nicht von Vornherein die stacheligen Blätter, um Fraßfeinde gänzlich abzuwehren? Ist es eine willentliche Hingabe, dem hungrigen Tier entgegen? Handelt es sich um gelebte Harmonie zwischen Tier und Baum im Sinne einer edlen Naturromantik? Nein, die Wahrheit ist viel pragmatischer: Die stacheligen Blätter haben eine deutlich verminderte Fähigkeit zur Photosynthese. Das Bilden des Fraßschutzes ist also ein Kompromiss, bei dem zum Schutz vor Verbiss auf ein Teil der Zuckerproduktion verzichtet wird.
Dies soll nur ein Beispiel sein, in was für einer Vielfalt sich einzelne Pflanzenarten zeigen können. Und eine Ermutigung, nicht zu verzweifeln, wenn die Pflanzen auf den Fotos in Bestimmungsbüchern immer ganz anders aussehen als in Echt. Es gibt natürlich noch viele andere Gründe und Phänomene, die die Ausgestaltung und den Wuchs einzelner Pflanzenarten beeinflussen, aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal. Und ein kleiner Tipp zum Schluss: Professionelle Bestimmungsbücher kommen komplett ohne Bilder aus. Die Bestimmung erfolgt hier anhand expliziter Merkmale, die in Textform abgeglichen werden können.
Die zarten weißen Blüten des Schneeglöckchens, welche sich tapfer durch die schmelzende Schneedecke wagen, verkünden das Ende des Winters. Mit ihrem Erscheinen beginnt das unaufhaltsame Frühlingserwachen in der Natur. Sie sind ein Symbol des neu beginnenden Lebens und ihr Anblick erweckt Frühlingsgefühle und Lebensgeister in uns. Als hell blühende Frühlingsboten erfreuen sie aber nicht nur uns Menschen. Bienen und anderen Insekten dienen die kleinen Blüten als wichtige Pollenquelle nach dem langen kargen Winter.
Viele der etwa 20 verschiedenen Schneeglöckchen Arten innerhalb der Gattung Galanthus sind seit Jahrhunderten beliebte Zierpflanzen. In Mitteleuropa ist jedoch nur das Kleine Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) heimisch. Der Gattungsname Galanthus kommt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus »gála« für Milch und »ánthos« für Blüte, bedeutet also Milchblüte und bezieht sich auf die weißen Blüten der Pflanzen. Milchblume ist übrigens auch ein volkstümlicher deutscher Name des Schneeglöckchens. Das Kleine Schneeglöckchen ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 7 cm bis 15 cm erreicht. Die Pflanzen wachsen häufig in Gruppen und bilden zum Überwintern kleine, bis zu 2 cm große Zwiebeln aus. Die 2 bis 3 Blätter sind bläulich grün, erreichen eine Länge von 5 cm bis 15 cm und sitzen grundständig an der Pflanze. Jede Pflanze bildet nur eine einzelne 1,5 cm bis 2 cm große Blüte, die nickend am Blütenstandschaft sitzt. Nach der Blüte bildet die Pflanze eine einzelne fleischige Kapselfrucht, die viele Samen enthält.
Alle Schneeglöckchen Arten gelten als leicht giftig. Verantwortlich hierfür ist das Alkaloid Amaryllidaceen, welches typisch ist für Pflanzen dieser Familie. Vergiftungserscheinungen sind Übelkeit, Bauchweh, Erbrechen, Durchfall und ein vermehrter Speichelfluss. In besonders hohen Dosierungen können gelegentlich auch Schweißausbrüche, Kreislaufstörungen und Benommenheit auftreten. Dieser Wirkstoff findet sich vermehrt in den Zwiebeln. Vergiftungen mit oberirdischen Pflanzenteilen sind unwahrscheinlich. Darüber hinaus finden sich die Wirkstoffe Galantamin, Tazettin und Lycorin in den Pflanzen. Auch diese haben ihre höchste Konzentration in den Zwiebeln.
Kaum einer weiß jedoch, dass in dem Schneeglöckchen auch starke Heilkräfte verborgen liegen, denn in der traditionellen Pflanzenheilkunde hierzulande ist die Pflanze unbekannt. Hinweise auf seine Anwendung findet man jedoch im Kaukasus. Dort werden die Zwiebeln des Woronow-Schneeglöckchens (Galanthus woronowii) traditionell zur Behandlung von Kinderlähmung eingesetzt. Ältere Menschen essen zudem die Zwiebeln, um Alterserscheinungen vorzubeugen. Es soll gegen Gedächtnisschwäche und Altersermüdungen helfen. In der modernen rationalen Phytotherapie nutzt man den Wirkstoff Galantamin, welcher aus den Pflanzen extrahiert werden kann. Dieser Wirkstoff wird als Antidementivum zur Behandlung von Demenz und Alzheimer angewendet. Studien konnten dabei eine signifikante Verbesserung der Gedächtnisleistung bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz belegen. Mittlerweile wird der Wirkstoff synthetisch hergestellt und pharmazeutisch vermarktet. Darüber hinaus haben die Zwiebeln des Schneeglöckchens eins mensturationsfördernde Wirkung.
Wie einige andere Pflanzen auch, besitzen die Schneeglöckchen die Fähigkeit der Thermogenese. Das bedeutet, dass die Pflanzen durch Stoffwechselprozesse in der Zwiebel ihre Temperatur gegenüber der Umgebungstemperatur signifikant erhöhen können. Dadurch können die Pflanzen die Schneedecke in der unmittelbaren Umgebung zum Schmelzen bringen und so früher mit dem Austrieb der oberirdischen Pflanzenteile beginnen.
Die meisten Kräuter ziehen sich in der kalten Winterzeit ins schützende Erdreich zurück. Einjährige Pflanzen überwintern als Samenkorn, mehrjährige Kräuter ziehen sich ins Wurzelreich zurück und lassen ihre oberirdischen Teile absterben. Nur wenige Pflanzen überdauern die kalte Jahreszeit mit grünendem Kraut, das den winterlichen Temperaturen strotzt. Die Winterzeit ist daher eher keine Jahreszeit, die man mit Kräutersammeln verbindet.
Besonders an milden und sonnigen Wintertagen, die gerade im diesjährigen Winter ungewöhnlich zahlreich sind, kann man aber dennoch einige dieser widerstandsfähigen Kräuter in der Natur entdecken und sammeln. Und das lohnt sich: in ihnen stecken auch jetzt geballte Heilkräfte und zahlreiche Vitamine und Nährstoffe, die unser Körper gerade jetzt besonders gut gebrauchen kann. In diesem Artikel stelle ich Dir zwei Kräuter vor, die Du auch im Winter sammeln kannst.
Das Gänseblümchen
Das Gänseblümchen ist eine der bekanntesten Wildpflanzen. Erstaunlicherweise ist seine Heilwirkung dafür umso unbekannter. Und das völlig zu Unrecht, denn in den Blüten des Gänseblümchens stecken kräftige Wirkstoffe. In der Pflanzenheilkunde wird das Gänseblümchen wegen der ähnlichen Anwendungsgebiete manchmal auch als »Kleine Schwester der Arnika« bezeichnet. Der Saft aus den Blüten hat eine entzündungshemmende und wundheilende Wirkung. So lassen sich mit ihm Insektenstiche, Blutergüsse, Quetschungen, Prellungen und kleinere Wunden behandeln. Weiterhin nutzt man den Presssaft des Gänseblümchens zur Behandlung von Lippenherpes. Innerlich angewandt hilft ein Tee aus den Blüten festsitzenden Schleim zu lösen. Die Blätter der Pflanze enthalten eine große Menge an Vitamin C, welches unser Immunsystem braucht, um richtig zu funktionieren. Das Gänseblümchen bildet auch im Winter stets frisches Grün. Sogar Blüten lassen sich vereinzelt an wärmeren Wintertagen finden. Es ist damit nicht nur eine ganzjährig zu findende pflanzliche Wundmedizin, sondern auch ein wunderbarer Helfer gegen winterliche Erkältungskrankheiten.
Der Löwenzahn
Der Löwenzahn ist ein wahres Superfood, wenn es um Vitamine und Mineralstoffe geht. Seine Blätter enthalten eine große Menge an pflanzlichen Proteinen, Eisen, Magnesium, Kalzium und Kalium. Darüber hinaus finden sich in ihm die Vitamine A, C und E. Da der Löwenzahn das ganze Jahr über frisches Grün austreibt, kann man sich auch im Winter an den jungen Blättern bedienen. Sie eignen sich wunderbar als Wildsalat oder Zugabe zu nährstoffreichen Smoothies. Auch in der Heilkunde kann man die winterlichen Löwenzahnblätter verwenden. Die in dem Pflanzensaft enthaltenen Bitterstoffe regen die Gallensaftproduktion an. Dies unterstützt die Verdauung fettreicher Speisen, fördert den Appetit und kann gegen Völlegefühl und einen aufgeblähten Magen-Darm-Bereich helfen. Weiterhin kann man den Löwenzahn auch bei Beschwerden dieser beiden Organe anwenden. Traditionell nutzt man den Löwenzahn zur Behandlung von Leberentzündungen und Gallensteinen. Darüber hinaus stärkt Löwenzahn das komplette Verdauungssystem: Leber, Galle, Milz, Bauchspeicheldrüse, Magen und Darm werden profitieren von der regelmäßigen Einnahme der Bitterstoffe aus dem Löwenzahn. Zudem fördert er die Nierenfunktion und wirkt somit entwässernd und harntreibend. Dies kann bei Nierenbeschwerden und Entzündungen der Nieren und der ableitenden Harnwege hilfreich sein. Außerdem hat Löwenzahn eine entgiftende Wirkung, da er den Stoffwechsel in er Leber anregen und unterstützen kann.
In der Winterzeit sind es die immergrünen Pflanzen, die uns besonders in Auge fallen. Als ein grüner Kontrast zur sonst leblos erscheinenden kahlen und kargen Natur verkörpern sie die ewig währende Lebenskraft. Wegen dieser Symbolik werden diese Pflanzen schon seit langer Zeit zum Schmücken der winterlichen Stuben genutzt. Tannenbaum, Adventskranz, Mistelzweig und Stechpalmen gehören ebenso zum Winter, wie Schneemänner & Weihnachtsmann.
Doch nicht alle immergrüne Pflanzen erleben dabei die gleiche Würdigung. Einige von Ihnen führen buchstäblich ein Schattendasein. Zu diesen gehören auch einige Arten der Gattung Immergrün (Vinca). Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich aber nicht bei allen Arten innerhalb dieser Gattung um immergrüne Pflanzen. Das Krautige Immergrün (Vincaherbacea) zum Beispiel, verliert im Winter seine Blätter und grünt nur im Sommer. Am häufigsten sind in Deutschland aber die beiden Arten Kleines Immergrün (Vinca minor) und Großes Immergrün (Vinca major) zu finden. Diese beiden Vertreter der Gattung sind tatsächlich immergrüne Pflanzen, die häufig an schattigen Plätzen wachsen. Botanisch handelt es sich bei beiden Arten um Halbsträucher. Sie unterscheiden sich hauptsächlich in der Größe von Wuchs, Blättern & Blüten, sind sich aber ansonsten sehr ähnlich. Die lilafarbenen fünfzähligen Blüten werden beim Kleinen Immergrün 2–3 cm groß, beim Großen Immergrün hingegen bis zu 5 cm. Vinca minor besitzt bis zu 4 cm lange, lanzettliche bis elliptische Laubblätter, und erreicht Wuchshöhen von 10 bis maximal 20 Zentimetern. Die Blätter von Vinca major hingegen sind eher eiförmig und können bis zu 9 cm lang werden. Die Zweige des Großen Immergrün werden bis zu 1 Meter lang, sind aber niederliegend und kriechend. Lediglich die Blütensprosse, welche eine Höhe von bis zu 30 Zentimetern erreichen können, wachsen aufrecht. Beide Arten wachsen als kriechende Bodendecker und verbreiten sich vegetativ über wurzelbildende Knoten an den Sprossachsen. An geeigneten Standorten können sie so regelrechte Teppiche bilden.
Die generative Vermehrung erfolgt hauptsächlich über Verbreitung der Samen durch Ameisen. Die großen Trichterblumen bieten Bienen, Schmetterlingen und Wollschwebern eine beliebte Nektar- und Pollenquelle, können aber auch durch Selbstbestäubung befruchtet werden. Die Blütezeit erstreckt sich dabei von März bis spät in den Herbst hinein. Dies macht das Immergrün zu einer wichtigen Nahrungspflanze für seine Bestäuber.
Im Bereich der Pflanzenheilkunde & Folklore findet vor allem das Kleine Immergrün Erwähnung. Wenn auch die ganze Pflanze heute aufgrund des hohen Gehalts an potenziell gesundheitsschädlichen Alkaloiden & anderen Inhaltsstoffen als giftig eingestuft wird, so war es lange Zeit ein beliebtes Naturheilmittel. Traditionell wurde das Kraut zur Linderung von Erschöpfungszuständen, zur Regulation von zu starken oder unregelmäßigenMenstruationsblutungen, zur Behandlung von Weißfluss, aber auch von nächtlichen Hustenanfällen, Gedächtnisschwäche und Konzentrationsproblemen angewandt. In der modernen Pflanzenheilkunde wurde es vor allem wegen der empirisch nachgewiesen Wirkung zur Behandlung von Durchbltungsstörungen angewendet.
Das Kleine Immergrün enthält insgesamt über 40 verschiedene Alkaloide. Die Hauptwirkstoffe sind aber Vincarnin und Eburnamenin. Bis 1986 war das Kleine Immergrün noch als Arzneidroge zugelassen. Da die Anwendung des Krautes in modernen Versuchen zu Blutschäden führte, ist die medizinische Verwendung seither nicht mehr zugelassen. Diese unerwünschte Nebenwirkung ist aber nicht auf einen der Hauptwirkstoffe der Pflanze zurückzuführen, sondern liegt in einem der Belgleitstoffe begründet. Der Hauptwirkstoff Vincarnin wird daher noch heute als Reinstoff in der Medizin als ein Mittel gegen zerebraleDurchblutungsstörungen eingesetzt.
Folkloristisch werden die langen Zweige des Kleinen Immergrüns zum Binden von Kränzen verwendet. Diese Kränze werden für Hochzeits- und Totenfeiern verwendet. Im Alpenraum hängt man sich geweihte Immergrünkränze an die Fenster, um sich gegen Blitzeinschlag zu schützen.
Text: Fabian Kalis
Bildnachweis:
Großes Immergün, Vinca major von Frank Vincentz, unverändert, via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Kleines Immergrün, aus Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz 1885, Gera, Germany
Auch jetzt im frühen Herbst kann man noch ein paar der eindrucksvollen gelben Blüten des echten Leinkrauts (Linaria vulgaris) in der Natur finden. Die Blütezeit der 20 cm bis 40 cm hohen Pflänzlein erstreckt sich nämlich von Mai bis Oktober über viele Monate hinweg. Aufgrund dieser langen Blütezeit sind sie vor allem jetzt im Herbst eine wichtige und beliebte Nahrung für Hummeln und Wildbienen. Die Blüten sind sogenannte Kraftblumen, die im Normalzustand verschlossen sind und erst durch Aufdrücken der Bestäuber geöffnet werden. Diesen Mechanismus kann man auch durch seitliches drücken mit den Fingern auslösen. Durch die Form der Blüten entsteht dabei der Eindruck, als würde sich das Maul eines Tieres öffnen, was der Pflanze auch den Namen Löwenmaul eingebracht hat. Durch diesen Umstand sind aber nur ausgewählte Bestäuber in der Lage, an den Nektar der Blüten zu gelangen. Honigbienen und andere kleine Wildbienen sind zu leicht und vermögen es nicht, den Eingang der Blüte zu öffnen. Hauptsächlich sind es Hummeln, die die Bestäubung des Leinkrauts sicherstellen. Es gibt jedoch auch einige Schmetterlinge, die aufgrund ihres langen schmalen Rüssels in der Lage sind den Nektar aus den Blüten zu stibitzen, ohne, dass sie den Blüten Eingang öffnen müssen. Die Pflanze erhält hierbei natürlich keinerlei Bestäubungsleistung im Tausch.
Das Echte Leinkraut findet in der traditionellen Pflanzenheilkunde wenig Verwendung. Dennoch kann die Pflanze mit ein paar heilenden Eigenschaften aufwarten. Die gesamte Pflanze enthält nämlich große Menge an Flavonoiden, hauptsächlich Linarin und Pectolinarin sowie die organischen Säuren Ameisensäure, Apfelsäure und Zitronensäure. Diese Wirkstoffe haben eine entzündungshemmendeWirkung. Deshalb wird das Leinkraut gerne bei allerlei entzündlichen Leiden eingesetzt. Die Hauptanwendung sind entzündliche Erkrankungen der ableitenden Harnwege, sowie Entzündungen der Schleimhäute. Hierzu trinkt man einen Tee aus dem getrockneten Kraut. Ameisensäure besitzt zudem eine fungizide Wirkung, weshalb das Echte Leinkraut ebenfalls zur Behandlung von Pilzerkrankungen wie etwa Fuß- oder Nagelpilz eingesetzt werden kann. Für diese Heilanwendung nutzt man Abkochungen aus dem Kraut der Pflanze für äußerliche Einreibungen und Waschungen der betroffenen Stellen am Körper.
Viel wichtiger als die Heilkräfte der Pflanze war jedoch ihre Verwendung als Färberpflanze. Das Echte Leinkraut ist eine traditionelle Färberpflanze, die früher zum Färben von Stoffen verwendet wurde. Der Name Leinkraut stammt von dieser Verwendung als Färbemittel von Leinen und Stoffen, nicht etwa, weil aus dieser Pflanze selbst, Leinen hergestellt wurden. Aus den gelben Blüten lässt sich ein hellgelber Farbstoff gewinnen. Die enthaltene Ameisensäure besitzt zudem eine leicht bleichende Wirkung. So konnten mit dem Echten Leinkraut Stoffe hellgelb gefärbt werden.
Eine weitere Anwendung des Echten Leinkrauts war die Verwendung als natürliches Haarfärbemittel. Ältere Frauen, die einst eine gelb blonde Haarpracht schmückte, nutzen die Pflanze, um ihrem ergrauten Haar wieder die jugendliche Blondierung zu verleihen.
Eine der wenigen Pflanzen, die auch noch spät im Jahr mit nektarspendenden Blüten für Insekten aufwartet, ist die Nachtkerze. Noch bis spät in den September kann man die gelb leuchtenden Blüten der bis zu 2 Meter hohen Gemeinen Nachtkerze (Oenothera biennis) bewundern. Ihr Name lässt es schon erahnen: Sie ist ein Nachtblüher. Doch auch wenn die intensiv duftenden Blüten hauptsächlich für Nachtschwärmer gedacht sind, so öffnen sich diese teilweise auch am Tage und bieten somit auch Bienen, Hummeln und Schmetterlingen eine willkommene Nahrungsquelle in der sonst schon kargen Welt des späten Sommers.
Die Gemeine Nachtkerze ist aufgrund ihrer Größe und der imposanten Blüten eine beliebte Zierpflanze. Doch auch verwildert ist sie als häufiges Wildkraut anzutreffen. Was kaum einer weiß: Die Nachtkerze stammt eigentlich von dem amerikanischen Kontinent. Erst im 17ten Jahrhundert kam die Pflanze nach Europa. Als exotische Zierpflanze war sie schnell eine beliebte Zierde in gepflegten Gärten und verbreitete sich so auch im europäischen Raum. Die heute wildwachsenden Bestände sind mittlerweile so häufig und gut ion unsere Ökosysteme eingebettet, dass die Pflanze von als einheimisch angesehen wird.
Dass die Nachtkerze nicht nur schön ist, sondern auch heilkräftig, war den Ureinwohnern der neuen Welt schon lange bekannt. In Europa besann man sich jedoch erst einige Zeit nach der Ankunft der krautigen Pflanze, die heilsamen Anwendungen. Genutzt wird hierbei das Nachtkerzenöl, welches durch Zermatschen oder Auspressen der Samen gewonnen wird. Innerlich angewandt wird das Öl in der Volksmedizin bei Atemwegserkrankungen wie etwa Asthma und Heuschnupfen. Auch soll es den Blutdruck senken und bei rheumatischen Beschwerden helfen. Zudem nutzt man es bei Menstruations- und Wechseljahresbeschwerden.
Die Hauptanwendung des Nachtkerzenöls ist jedoch bei allerlei Hautleiden. Innerlich eingenommen soll es die Beschwerden von Neurodermitis lindern. Äußerlich wird es wegen seiner juckreizlindernden und entzündungshemmenden und beruhigenden Wirkung auf die Haut in vielen Kosmetikprodukten genutzt. Die Wirkung beruht dabei hauptsächlich auf den Wirkstoffen Linolsäure und Gamma-Linolensäure. Das Nachtkerzenöl enthält dabei bis zu 80 % Linolsäure und bis zu 8 % Gamma-Linolensäure.
Die Nachtkerze kann auch zu Nahrungszwecken genutzt werden. Alle Pflanzenteile sind essbar. Die großen gelben Blüten werden gerne als essbare Deko verwendet. Die Blätter können als Salat roh gegessen werden oder ähnlich wie Spinat gekocht werden. Am häufigsten verwendet man jedoch die Pfahlwurzel, welche bis zu 1,6 Meter tief in die Erde ragen kann. Diese kann ähnlich wie Pastinaken oder Schwarzwurzeln zubereitet werden und waren nicht nur in Zeiten von Hungersnöten eine beliebte und nahrhafte Mahlzeit. Da die Wurzel der Nachtkerze sich beim Kochen Rosa färbt, wurde diese im Volksmund auch als Schinkenwurzel bezeichnet.
Die Nachtkerze ist eine zweijährige Pflanze. Im ersten Jahr bildet sie nur eine Blattrosette. Erst im zweiten Jahr bildet sie dann ihre hohen Blütenstände aus samt sich nach der Blüte aus. Möchte man die Wurzel ernten, so tut man dies im Herbst des ersten Jahres. Zu dieser Jahreszeit zieht die Pflanze ihre Lebensenergie zum Überwintern in die Wurzel zurück und bildet so eine dicke, saftige, energie- und nährstoffreiche Pfahlwurzel. Bereits im Frühjahr des zweiten Jahres treibt diese Lebenskraft aus der Wurzel heraus und die Pflanze steckt ihre ganze Energie in die Blütenstände. Die Wurzeln fangen an zu verholzen und können nicht mehr zu Nahrungszwecken genutzt werden.
Wegen ihrer Heilkräfte und der Verwendung als Nahrungsmittel wandelte sich die Nachtkerze schnell von einer Zierpflanze zu einer beliebten Nutzpflanze. So gehörte sie früher zu den typischen Pflanzen in Bauerngärten. Mittlerweile ist vor allem ihr Potenzial als Nahrungsmittel wieder zunehmend in Vergessenheit geraten. Auch der Anbau von Heilkräutern für den Hausgebrauch ist weniger verbreitet. So wird die Nachtkerze heutzutage wieder vornehmlich wegen ihres Aussehens angebaut.
Mit bis zu 120 Blüten pro Pflanze und einem reichen Nektar & Pollenangebot ist sie aber auch eine wichtige Pflanze für eine Vielzahl an bestäubenden Insekten.
Gurken (Cucumis sativa) sind ein beliebtes Rohkostgemüse. Besonders die langen, grünen Salatgurken finden sich in vielen Salatzubereitungen und geben dort eine saftige und knackige Komponente. Auch im Tztatziki ist die Gurke nicht wegzudenken. Ebenso als gesunder Snack macht die Gurke eine gute Figur. Natürlich sind auch die sauer eingelegten Gewürzgurken seit eh und je ein Klassiker. Mittlerweile finden sich sogar Gurkenlimonaden im Getränkehandel, die an heißen Sommertagen mit dem typischen Gurkengeschmack erfrischen. Weitaus weniger bekannt ist heutzutage die Verwendung von Gurken als Kochgemüse. Früher noch waren jedoch Schmorgurken eine beliebte Zubereitung. Der heimische Gärtner weiß um die unzähligen verschiedenen Gurkensorten, die angebaut werden können. Manche von ihnen sind lang und glatt, andere kurz und piksig. Es handelt sich hierbei jedoch stets um die gleiche Art. Die Unterschiede sind lediglich verschiedene Züchtungen. Alle Sorten können übrigens sowohl roh als auch gekocht gegessen werden. Die zum Schmoren oder einlegen angebotenen Sorten haben meist einen intensiveren Geschmack als die regulären Salatgurken. Beim Kochen lassen sich die Gurken ganz ähnlich der Zucchini verarbeiten und zubereiten.
Kaum einer weiß jedoch, dass die Gurken auch eine starke Heilwirkung in sich tragen. Gurken können dabei sowohl innerlich als auch äußerlich genutzt werden. Die äußerliche Anwendung findet sich dabei teilweise in der Kosmetik, wo Gurkenmasken und auf die Augen gelegte Gurkenscheiben zur Pflege der Gesichtshaut angewendet werden. Die Gurke kann aber noch viel mehr. Äußerlich angewandt hilft die Gurke nämlich bei Hautentzündungen, Akne, Pickeln und sogar leichten Brandwunden und Sonnenbrand. Verwendet wird hierzu der frische Gurkensaft, der direkt auf die betroffenen Stellen einmassiert werden kann. Die Gurke hat dabei eine entzündungshemmende und wundheilende Wirkung.
Innerlich angewendet wirken Gurken harntreibend und können dabei helfen, Nieren- und Blasensteine auszuleiten. Ebenso helfen sie dabei, den Körper zu entgiften und zu entschlacken. Besonders interessant ist die blutzuckersenkendeWirkung der Gurken. Das macht sie als unterstützende Naturmedizin für Diabetiker interessant.
Will man die Gurke medizinisch nutzen, so verwendet man für äußerliche Anwendung den frischen Gurkensaft. Für innerliche Anwendung kann man ebenfalls den Saft trinken, aber natürlich auch einfach die rohen Gurken essen. Lediglich gekochte Zubereitungen haben keine Heilwirkung. Beim Erhitzen werden die wirksamen Inhaltsstoffe zerstört.
Gurken enthalten große Mengen an Vitamin A, C, E sowie geringe Mengen verschiedener B-Vitamine (B1, B2, B3, B5, B6, B7, B9). Ebenso enthalten sie Salz und andere wichtige Mineralstoffe. Dabei haben 100 g Gurke gerade mal 12 Kcal.
An Wegesrändern, im Wald, an Straßenrändern, auf dem Bürgersteig, auf Wiesen und als unliebsames Unkraut im Rasen, Naturgebiet oder inmitten der Betonwüsten der modernen Zivilisation: der Spitzwegerich ist eine sehr verbreitete Pflanze und fast überall zu finden. Die kleine zarte Pflanze mit den unscheinbaren grau weißen Blütenständen mag zwar auf den ersten Blick einen sehr zerbrechlichen Eindruck machen, sie steckt aber voller Widerstands- und Heilkräfte.
Der Spitzwegerich (Plantago lanceolata) bevorzugt ein Habitat, welches für viele andere Pflanzen uneroberbar bleibt. Die Wegeriche wachsen überall dort, wo Mensch, Tier oder geologische Begebenheiten den Boden stark verdichtet haben. Wildpfade, platt getretene Wege, und durch das Gewicht der modernen Zivilisation, mit all ihren schweren Geräten und Bauwerken, stark verdichteter Boden bilden den perfekten Lebensraum für den König des Weges. Das bedeutet nämlich der Name Wegerich eigentlich. Er setzt sich zusammen aus den Wörtern Weg und dem althochdeutschen Wort rīh, was König bedeutet. Diese althochdeutsche Bedeutung sowie unser modernes Wort reich oder das englische Äquivalent rich, gehen alle auf den gleichen Wortursprung zurück und beziehen sich auf Fülle, Reichtum, Häufigkeit. Genauso ist es der Wegerich, der häufig an Wegen wächst. Daher der Name Wegerich.
Und auf diesen besonderen Lebensraum auf verdichteten, viel frequentierten Wegen, wo Mensch, Tier und Maschine hinüber wandeln, hat sich der Wegerich auch in seiner Vermehrung spezialisiert. Die kleinen hellbraunen Samen sind so angelegt, dass sie sich beim Drauftreten an den Fußsohlen, Hufen oder Pfoten von Tier und Mensch verkleben und so verbreitet werden. Der Wegerich ist also nicht nur in der Lage ein auf ihm Herumtrampeln zu überstehen, er braucht es sogar. Die Bestäubung erfolgt überwiegend durch den Wind. Nur gelegentlich wird der Wegerich auch von bestäubenden Insekten besucht. Neben der generativen Vermehrung über Samen, verbreitet sich der Wegerich zudem vegetativ über unterirdische Wurzeslsprosse.
Doch was macht den Wegerich so besonders? Warum meiden viele andere Pflanzen verdichteten Boden? Die Antwort ist einfach: Wasser. In stark verdichtetem Boden haben die Wurzeln der Pflanzen keine Chance genügend Wasser aufzunehmen. Auch kann verdichteter Boden deutlich weniger Wasser aufnehmen und speichern. Verdichteter Boden bietet also kaum etwas des flüssigen Lebenselexiers, das alle Pflanzen benötigen. Dies ist auch beim Wegerich nicht anders. Auch seine Wurzeln finden in den dichten Erdschichten kein Wasser. Was ist also sein Gehemnis? Die kleine zarte Pflanze, die kaum 15 cm hoch wird, kann enorme Wurzeln bilden, die bis zu 4 Meter tief in die Erde reichen. Wenn man sich vorstellt, dass riesige Bäume, wie etwa die Fichten als Flachwurzler gerade mal 1 Meter tief in der Erde verwurzelt sind, wirkt der Wegerich umso beeindruckender. Die Wurzeln des Wegerichs reichen in so tiefe Erdschichten hinunter, dass sie die obere stark verdichtete Erdschicht durchdringen und in tiefergelegene Bereiche vordringen, wo der Boden wieder lockerer wird und somit genügend Wasser aufgenommen werden kann.
Die schmal zulaufenden lanzettlichen Blätter des Spitzwegerich sind ein beliebtes Wildgemüse. Sie können unverarbeitet als Wildsalat gegessen werden und haben einen leicht bitteren, an Champignons erinnernden Geschmack. Kleingeschnitten können die Blätter ähnlich wie Spinat oder Mangold zubereitet werden. Da der Spitzwegerich das ganze Jahr über immer neue Blätter bildet, können zu jeder Jahreszeit frische Blätter geerntet werden. Die jungen Blätter sind dabei weniger bitter. Seine Häufigkeit und gute Verfügbarkeit der frischen Blätter das ganze Jahr über machen den Spitzwegerich zu einem der bliebtesten Wildkräuter für die wilde grüne Küche.
Doch nicht nur zu Speisezwecken kann der Wegerich genutzt werden. In ihm stecken auch starke Heilkräfte. Die bekannteste Wirkung ist die Hustenreizlinderndene und entzündunghemmndeWirkung der Blätter. Als Spitzwegerichsirup ist diese Medizin als Fertigpräparat in Apotheken, Drogerien und Supermärkten zu finden und wird gerne als milde Medizin bei Kindern eingesetzt. Beachten sollte man hierbei jedoch: Husten ist nicht gleich Husten. Der Spitzwegerich hilft bei trockenem Husten, Reizhusten und Entzündungen der Atemwege. Ist hingegen festsitzender Schleim die Ursache des Hustens sollte man auf eine schleimlösende andere Medizin zurückgreifen. In diesem Fall kann der Spitzwegewrich sogar kontraindiziert sein, da er den zum Abhusten wichtigen Hustenreiz unterdrückt.
Häufig findet man den Spitzwegerich auch in Hustenteemischungen. Das macht aber leider wenig Sinn und ist pharmakologisch wirkungslos. Der für die entzündungshemmnde und Hustenreiz lindernde Wirkung verantwortliche Wirkstoff ist Aucubin. Dieser Stoff ist sehr empfindlich. Hitze, der Kontakt mit Sauerstoff, das Trocknen der Pflanze oder lange Lagerzeiten zerstören diesen Inhaltstoff und machen die Pflanze wirkungslos. Es macht daher keinen Sinn getrocknetes Spitzwegerichkraut mit heißem Wasser aufzugießen und dann eine Wirkung zu erwarten. Neben Aucubinund anderen Iridoidglycosiden (Catalpolund Asperulosid) enthält Spitzwegerich geringe Mengen an Gerbstoffen,Schleimstoffenund Saponinen.
Wie kann man den Wegerich also sinnvoll innerlich nutzen? Der Sirup aus dem Handel macht es uns vor: Am besten stellt man einen Sirup her. Das geht ganz einfach und benötigt keinerlei Erhitzen. Auch ein alkoholischer Extrakt, bei dem die frischen Blätter in hochprozentigen Alkohol eingelegt werden, ist möglich. Für die Herstellung eines Sirups benötigt man ein großes Glas, in das man abwechselnd je eine ca. 1 cm dicke Schicht aus kleingeschnittenen frischen Spitzwegerichblättern und Zucker gibt, bis das Gefäß voll ist. Diesen Ansatz lässt man nun mehrere Wochen ziehen. Der Zucker zieht die Feuchtigkeit aus dem frischen Pflanzenmaterial und mit ihr die enthaltenden Wirkstoffe. Die Feuchtigkeit löst dann den Zucker. So entsteht ein dickflüssiger, intensiver Sirup, der aufgrund seines hohen Zuckergehaltes auch komplett ohne Erhitzen oder Kühlung haltbar ist. Den Ansatz sodann durch ein Sieb abgießen und fertig ist der heilsame Spitzwegerichsirup. Wichtig zu wissen: für die Heilwirkung bevorzugt man die älteren Blätter des Spitzwegerich. Sie enthalten mehr wirksames Aucubin als die jungen Blätter. Dieser Wirkstoff ist es auch, der den Blättern den bitteren Geschmack verleihen. Je bitterer das Kraut schmeckt, umso mehr Wirkstoff ist auch enthalten.
Neben dem Aucubin haben auch die Schleimstoffeeine Wirkung auf die Atemwege. Sie legen sich bei der Einnahme als schützende Schicht auf die Schleimhäute und unterstützen so die Behandlung von entzündlichen Erkrankungen der Atemwege. Schleimstoffe und Saponine besitzen zudem generell eine schleimlösende Wirkung. Im Spitzwegerich kommen sie aber nur in geringen Mengen vor und die hustenreizlindernde Wirkung des Aucubin überwiegt, so dass durch den Spitzwegerich nicht das Abhusten von festsitzendem Schleim gefördert werden kann. Hierfür gibt es andere wirksamere Pflanzenmedizin wie etwa den Efeu.
In vielen modernen Kräuterbüchern und Blogs liest man zudem von einer antibiotischen Wirkung des Spitzwegerichs und somit einer Anwendung bei bakteriellen Infektionen. Die antibiotische Wirkung ist zwar technisch korrekt, praktisch aber wieder genau so ein Blödsinn wie der Spitzwegerichtee. Leider werden in modernen Publikationen über Heilkräuter viel zu häufig einfach nur Dinge nachgeplappert, ohne dass sie vom Urheber selbst verstanden werden. Da schnappt man irgendwo auf, dass Aucubin antibiotisch wirkt und irgendwo anders, dass Spitzwegerich Aucubin enthält und schon hat man den „Beweis“ das Spitzwegerich bei bakteriellen Infektionen hilft. Leider wurde versäumt, den Wirkstoff chemisch und pharmakologisch zu verstehen. Aucubin hat pharmakologisch zwar in der Tat eine antibiotische Wirkung, die sogar eine vielversprechende Lösung für die immer häufiger vorkommenden Antibiotika resistenten Keime sein könnte (Dies wurde in Studien nachgewiesen, in der der Reinstoff direkt in die Blutbahn injiziert wurde). Leider können wir diese Wirkung jedoch nicht durch Einnahme von Spitzwegerich innerlich nutzen, da das empfindliche Aucubin in unserem Verdauungstrakt zerstört wird, bevor es vom Körper aufgenommen werden kann. Spitzwegerich entfaltet seine entzündungshemmende und Hustenreiz lindernde Wirkung nur im Bereich von Mund, Hals und der oberen Atemwege. Dort wo die Medizin direkt hinkommt. Die Wirkstoffe werden nicht vom Blut aufgenommen und können somit nicht im Körper verteilt werden.
Anders sieht es aber bei der äußerlichen Anwendung von Spitzwegerich aus: Hierbei kann das Aucubin in den frischen Blättern seine volle Wirkung verbreiten. Die entzündungshemmende Wirkung der Spitzwegerichblätter nutzt man gerne als Notfallmedizin bei Insektenstichen. Hierzu zerkaut man ein paar frische Blätter. Durch das zerkleinern im Mund und das Anreichern mit Speichel werden die Wirkstoffe besonders gut herausgelöst. Den fertigen Pflanzenbrei schmiert man nun auf die Einstichstelle. Egal ob Mücke, Biene oder Wespe: der Spitzwegerich lindert den Schmerz, vermindert Schwellungen und hilft gegen den Juckreiz. Die beste Wirkung zeigt sich, wenn der Wegerich direkt nach dem Stich appliziert wird, bevor eine Schwellung und Rötung auftritt. Doch auch bei älteren Stichen kann der Wegerich eine Linderung verschaffen und die Heilung beschleunigen. Auch entzündliche Hautleiden wie etwa Neurodermitis können mit frischem Spitzwegerich behandelt werden.
Des Weiteren besitzt frischer Spitzwegerich eine stark Blutstillende Wirkung, wenn er äußerlich angewendet wird. Hierzu zerkaut man wieder etwas frisches Pflanzenmaterial und schmiert den Brei auf die blutende Wunde. Die Wirkstoffe im Wegerich vermögen selbst größere Blutungen innerhalb kürzester Zeit zu stoppen. Damit ist der Spitzwegerich eine wunderbare Erste-Hilfe bei kleineren Unfällen in der Natur.
Text: Fabian Kalis
Bildnachweis: 膀胱眼球胎, CC BY-SA 3.0 <http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/>, via Wikimedia Commons
Die gelb leuchtenden Blüten der Forsythie gehören hierzulande zu den unverkennbaren Boten des Frühlings. Der ausdauernde Strauch wird gerne als Zierpflanze in Gärten angepflanzt und ist mit seinen üppigen Blüten, die bereits im zeitigen Frühjahr goldgelb die noch karge Natur erhellen, mit die erste Blütenfülle des Jahres. Kein Wunder, dass die blütenbesetzten Zweige gerne in Ostergestecken verwendet und als ein Zeichen der wiedererwachenden Natur angesehen werden. Die Forsythie gehört zur Familie der Ölbaumgewächse (Oleaceae) und wird ebenfalls Goldglöckchen oder Goldflieder genannt.
Auch die Honigbienen und andere nektarsuchende Insekten werden nach dem langen kargen Winter von den vielen goldenen Blüten angezogen. So summt und brummt es an warmen Frühlingstagen in den gelben Sträuchern, und wir erfreuen uns an diesem Frühlingserwachen. Doch leider handelt es sich hier häufig um eine Mogelpackung, die den Insekten nichts zu bieten hat. Die emsigen Fliegetierchen finden weder Nektar noch Pollen in den Blüten. Der Grund: Die bei uns angepflanzten Forsythien sind in der Regel Hybride (Kreuzung aus Forsythia suspensa und F. viridissima), die nur unfruchtbare Blüten hervorbringen, die keinen Nektar und Pollen produzieren.
Die aus Asien stammende Stammpflanze Forsythia suspensaist zwar ebenfalls keine Nektarquelle, bietet jedoch in ihrer natürlichen Variante zumindest etwas Pollen. Wer also den Bienen etwas Gutes tun möchte und dabei nicht auf die gelbe Forsythienblüte im Frühjahr verzichten möchte, sollte sich also lieber die natürliche Form des Strauches in den Garten holen und auf moderne Zuchtformen und Hybride verzichten.
Die Hänge-Forsythie, wie F. suspensa bei uns genannt wird, bietet nicht nur den Insekten eine wichtige Pollenmahlzeit. Auch wir Menschen können die Pflanze für uns nutzen. Die Früchte der Forsythie werden schon lange in der Traditionellen Chinesischen Medizin angewandt und die gesamte Pflanze wird im asiatischen Raum in der traditionellen Volksheilkunde bei vielen verschiedenen Leiden angewandt. In der Regel wird ein Sud aus den reifen oder unreifen Früchten hergestellt, der dann eine entzündungshemmende, fiebersenkende, blutdrucksenkende, tonisierende, entgiftende, antibakterielle und antiseptischeWirkung haben soll. Wegen dieser Eigenschaften nutzt man die Forsythienfrüchte äußerlich bei eitrigen Wunden und Geschwüren sowie innerlich zur Behandlung von Entzündungen im Mund und Rachenraum und des Urinaltrakts sowie bei bakteriellen Infektionen, zur Stärkung des Herz-Kreislaufsystems und zur Entgiftung. Insbesondere Mandelentzündungen und Entzündungen der Niere und der ableitenden Harnwege werden in der TCM mit der Forsythie behandelt. Moderne Forschungen konnten mittlerweile die positive Heilwirkung der Forsythienfrüchte bei Nephritis bestätigen.
Auch in der Krebstherapie spielt die Forsythie eine wichtige Rolle. Traditionell nutzt man einen Sud aus den Blättern und Zweigen zur Behandlung von Brustkrebs. Aber auch andere Krebsarten werden mit der Forsythie behandelt. Genutzt werden auch hier wieder die unreifen Früchte (im Chinesischen Qing Qiao) und die reifen Früchte (Huang Qiao). In der Apotheke erhält man die Forsythienfrüchte unter der Bezeichnung grüner Frosythiae fructus(unreife Früchte) bzw. reifer Forsythia fructus(reife Früchte). Auch hier konnten moderne Forschungen die positive Heilwirkung der Forsythienfrüchte bei der Behandlung verschiedener Krebsarten bestätigen. Eine Wirkung konnte bei Prostata-, Brust– und Darmkrebs sowie bei Leukämie nachgewiesen werden. Es hat sich gezeigt, dass die unreifen Früchte in der Krebstherapie sowie zur Behandlung von innerliuchen Entzündungen eine stärkere Wirkung haben. Die reifen Früchte hingegen zeigen eine höhere Wirksamkeit bei der Behandlung von bakteriellen Infektionen, sowie zur Stärkung des Herzens und Senkung des Blutdrucks. Außerdem wirken sie besonders immunstärkend.
Die Wirkung der Forsythie beruht laut modernen Forschungsergebnissen auf den Inhaltsstoffen Forsythosid I, Forsythosid A, Forsythosid E, Pinoresinol (ein Stoff aus der Gruppe der Lignane) und Oleanolsäure. Forsythoside und Pinoresinol sind dabei hauptsächlich für die entzündungshemmende und anticarinogene Wirkung verantwortlich (wobei Pinoresinol in den Untersuchungen die stärkste Wirkung zeigt), die Oleanolsäure hingegen für die herzstärkende, immunstärkende, und blutdrucksenkende Wirkung verantwortlich ist. In den unreifen Früchten überwiegen Forsythoside und Pinoresinol, wohingegen in den reifen Früchten die Oleanolsäure vermehrt vorkommt, was die unterschiedlichen Anwendungen erklärt.
Verzichtet man also auf moderne Zierformen und pflanzt stattdessen lieber das natürliche Original in seinen Garten, dankt einem nicht nur die heimische Insektenpopulation, man holt sich ebenso ein wahres Wunderwerk an natürlichen Heilkräften in den Garten und muss dabei nicht auf die gelbe Pracht im Frühling verzichten.
Text: Fabian Kalis
Foto: KENPEI, CC BY-SA 3.0 <http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/>, via Wikimedia Commons
Spekulatius, Lebkuchen, Glühwein und Weihnachtskekse, alle drei wäre nicht das, was sie sind, ohne die typischen Weihnachtsgewürze aus fernen Ländern. Zimt, Gewürznelken und Kardamom würzen unsere Weihnachtszeit mit exotischen Aromen.
Echter Zimt ist die Rinde vom Ceylon-Zimtbaum (Cinnamomum verum). Gelegentlich wird auch die Rinde anderer Bäume aus der Gattung als Gewürz genutzt. Der echte Zimtbaum kommt ursprünglich aus Sri-Lanka, wird heute aber auch in anderen tropischen Ländern kommerziell angebaut. Genutzt wird hierbei die Bastschicht der Rinde des Baumes, welche sich zusammenrollt, wenn sie vom Baum gelöst getrocknet wird und so die typischen Zimtstangen bildet.
Die Zimtrinde war bereits in der Antike eine beliebte Medizin. Sie wurde bei allerlei Leiden eingesetzt, etwa bei Husten und Schnupfen. Auch ist sie harntreibend und magenstärkend. Eine blutstillende Wirkung ist ebenfalls beschrieben. In der modernen Phytotherapie nutzt man die Zimtrinde wegen ihrer Blutzucker senkenden Wirkung. Hier kommt sie als unterstützende Medizin bei Diabetes zum Einsatz. Da Zimtöl eine wehenfördernde Wirkung hat, wurde es früher auch zur Einleitung von Geburten verwendet. Ein übermäßiger Verzehr in der frühen Schwangerschaft kann aber abtreibend Wirken und sollt daher gemieden werden.
Das ätherische Öl aus der Zimtrinde, was dem Zimt seinen typischen Duft und Geschmack verleiht, besteht hauptsächlich aus Eugenol und Zimtaldehyd und dem Monoterpen Linalool. Zimt ist übrigens eines der wichtigsten Aromen von Cola. Nicht etwa die namensgebende Kolanuss, sondern der Zimt ist maßgeblich für den typischen Colagemschack verantwortlich.
Die Gewürznelken sind die getrockneten Blütenknospen vom Gewürznelkenbaum (Syzygium aromaticum), welcher auf den Molukken beheimatet ist. Der Name Nelken kommt dabei aus dem Mitteldeutschen und bedeutet Nagel, da die Form der Knospen an Nägel erinnert. Die als Blume bekannte Pflanzengattung der Nelken ist wegen ihrer nagelförmigen und aromatisch duftenden Blüten nach der Gewürznelke benannt. Nicht andersherum, wie häufig angenommen wird.
Gewürznelken enthalten sehr viel ätherisches Öl, welches hauptsächlich aus Eugenol, Eugenolacetat und Caryophyllen besteht und für den typischen Duft und Geschmack verantwortlich ist. Im Mittelalter galten Gewürznelken als gut für das Gehirn, die Leber und den Magen. Das enthaltene Eugenol hat eine betäubendeWirkung. Daher werden noch heute die Gewürznelken gerne bei Zahnschmerzen gekaut.
Kardamom sind die Samen vom Grünen Kardamom (Elettaria cardamomum). Diese ausdauernde krautige Pflanze stammt ursprünglich aus Indien, Sir-Lanka, Thailand und Irak. Der würzig, süße, scharfe Geschmack der Samen geht auf das enthaltene ätherische Öl zurück, welches etwa 120 verschiedene Stoffe enthält, unter anderem alpha–Terpenylacetat, Cineol, Terpeniol, Limonen, Linalylacetat, Linalool sowie Hydroxyzimtsäure. Das ätherische Öl der Kardamomsamen wirkt fördernd auf die Magen-, Gallensaft und Speichel Produktion. Auch eine aphrodisierende Wirkung schreibt man den aromatischen Samen zu. Traditionell nutzt man Kardamom als Medizin bei Verdauungsstörungen, Magenkrämpfen, Regelschmerzen, Blähungen, Husten, Erkältungen, Grippe, Asthma und Mundgeruch.
Text: Fabian Kalis
Bilder: Marion Schneider & Christoph Aistleitner, Public domain, via Wikimedia Commons
Brian Arthur, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons
Didier Descouens, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons